RÄTSEL

Kafkas Garnison

Ein Roman aus einem Land, das es nicht mehr gibt

Zu Beginn wird ein Leutnant versetzt, zwei Wochen vor seiner Entlassung. Er meldet sich bei einer Burg-Garnison im Niemandsland. Dort tragen die Soldaten keine Waffen, die Offiziere und Mannschaften duzen einander, und in der Kantine gibt es besseres Essen als in einem Sterne-Hotel. Auftrag der Garnison: Der Hügel muss gehalten werden, gegen einen Feind, der sich hinter einem Bachlauf im Tal verbirgt und den noch nie jemand gesehen hat. Nur der Oberst. Aber der ist auch der einzige, der ein Nachtsichtgerät besitzt.
Gleich zu Anfang erfährt der Leutnant, dass seine Entlassung aufgehoben und seine Dienstzeit "auf unbestimmte Zeit" verlängert wurde. Alle sitzen sie hier zusammen, nicht bei Wasser und Brot, sondern bei Pflaumenschnaps und gegrillter Ente, und vergeuden ihr Leben. Gleichzeitig träumen der Leutnant und seine Leidensgenossen derart intensiv von ihrer Vergangenheit, dass so mancher auf die Idee kommt, man sei in einem Zeitloch oder von Aliens eingefangen worden.
Es braucht nicht lange, um das Gleichnishafte in Róbert Hász' Roman zu entdecken. Zu deutlich sind die Anspielungen auf ein unten im Tal zerfallendes Staatswesen, auf beginnende Pogrome gegen Albaner, als dass die Geschichte nicht lokalisierbar wäre. Als Erzählung hätte sie ihre Spannung und ihren Witz (vor allem die Auflösung ist sehr schräg). Als Roman aber wird die kafkaeske Garnison um die Jugenderinnerungen des Leutnants erweitert. Und so sind die Passagen, die von erster Liebe in einem Sommergarten der Kindheit handeln, auch seltsam abgeschlossen von der Welt, zwar mit die bezauberndsten der Geschichte, beide Erzählstränge stehen sich jedoch seltsam auf den Füßen, ergänzen einander nicht, und werden am Ende, sozusagen als Traum im Traum, recht absehbar zusammengeführt.
Hász, geboren in der Voivodina, wollte der Trauer um eine zerbrochene Vergangenheit offensichtlich eine private, intime Komponente hinzufügen. Heraus kommt ein Buch, das auf faszinierende Weise nicht funktioniert.
Victor Lachner
Róbert Hász: Für alle Ewigkeit. Aus dem Ungarischen von Christina Kunze. Klett-Cotta, Stuttgart 2006, 288 S., 19,50 ISBN: 3608937315