THIRTYSOMETHING

Lost in Bamberg

Tabasco im Hintern und Spaß im Sinn: Tommy Jaud blödelt wieder

Kommt nach der Literatur für freche Frauen demnächst die männliche Variante in die Buchläden? Der Exilbayer und Sat1-Gagschreiber Tommy Jaud könnte nach seinem erfolgreichen Debüt Vollidiot mit Resturlaub eine Marktnische erschlossen haben.
Diesmal dreht sich alles um Peter Pitschi Greulich, einen 37-jährigen PR-Manager einer urigen Brauerei im noch viel urigeren Bamberg. Im Gegensatz zu seinem ebenso herzlichen wie bräsigen Freundeskreis spricht Pitschi hochdeutsch und hält DrumīnīBass nicht für eine Tabakmarke.
Pitschie fühlt sich zu cool für diese Welt, aber jeder Ausbruchsversuch ist zwecklos. Ein von ihm geplanter Junggesellenabschied scheitert schon an der Stadtgrenze: Mitten in der Woche mit der Bahn ins benachbarte Nürnberg fahren, um dort eine Tabledance-Bar zu besuchen? "Das kannste net machen!", stöhnen seine überforderten Kumpels unisono. Also endet die geplante Sause im Brauhaus nebenan mit "subber Schnitzel" und draller Wirtin.
Während sich der Mittdreißiger an Bambergs "Das kannste net machen"-Mentalität den Kopf stößt, lassen es die Freunde lieber knirschen: Sie heiraten und kaufen ein Häuschen im Umland, inklusive einer beim Parken laut knirschenden Kieselsteinauffahrt. Die Situation verschärft sich, als Pitschis langjährige Freundin Biene - Corsa-Fahrerin, Schlager-Fan, Bastelladen-Besitzerin - es ebenfalls knirschen lassen will: Pitschi ist der Nächste in der Aktion Enduring Boredom (kalauern kann er!).
Beim Einchecken zur elften Mallorca-Reise in Folge packt den Romanhelden dann endgültig die soziale Klaustrophobie. Völlig unvorbereitet flieht er mit dem nächsten Fernflug und landet in Argentinien.
Die folgenden Abenteuer des Weltbürgers Pitschi, der immer wieder auf Bamberger Normalmaß zurückgestutzt wird, lesen sich höchst komisch. Stets prallen aus höchster Fallhöhe die für Pitschi hochnotpeinlichsten und für den Leser lustigsten Ereignisse aufeinander. So macht er beim Sex mit einer klischeehaft unersättlichen Latina frühzeitig schlapp. Sein per Handy zu Hilfe gerufener Freund rät ihm, sich zur Potenzsteigerung doch Tabasco in den Anus zu stecken. Während der verzweifelte Pitschi diesen Tipp in der Küche seiner Bettgespielin befolgt, öffnet diese die Tür und.... in diesem Stil reiht der Autor einen Gag an den nächsten. Dafür verzichtet Jaud darauf, das Krisenpotential eines Thirtysomethings genauer auszuleuchten. Und dank des Pointen-Bombardements übersieht man gerne, dass die briefmarkenplatte Moral am Ende auch in jeder Vorabendserie Platz gehabt hätte.
Frank Krings
Tommy Jaud: Resturlaub. Das Zweitbuch Scherz, Frankfurt am Main 2006, 253 S., 12,90, ISBN: 3502110042