GLAUBEN

Alte Geschichten

Heinz-Werner Kubitza mag das Christentum nicht

Dass die Predigten Jesu mit dem späteren Christentum nur wenig gemein haben, ist nichts Neues. Wie sich in den Evangelien allmählich die Zitate und Begebenheiten verändern, wie auch die berühmten letzten Worten Jesu je nach Evangelist anders ausfallen (von "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?!" bis "Es ist vollbracht!") nichts gleich bleibt - das zu untersuchen ist Aufgabe der Theologie; die Palette reicht dort vom verzweifelten Ausruf "Mein Gott, warum hast du mich verlassen!" bis hin zum Selbstgefälligen "Es ist vollbracht!"-Schlusswort. Da Theologen von der Kirche bezahlt und berufen werden (soweit sie einen Lehrstuhl erklimmen möchten), kommt bei solcher Forschung erstens wenig heraus, und wenn zweitens doch, werden die Erkenntnisse je nach Interessenslage sortiert, bevor sie veröffentlicht werden.

So kommt es, dass die kräftige Kirchenkritik sich immer außerhalb des Systems abspielt. Auch Heinz-Werner Kubitza gehört nicht zum religiösen Establishment. Wenn man ein Buch mit dem Titel Der Jesuswahn schreibt, ist das nicht weiter verwunderlich.

Darin steht zwar nichts aufregend Neues, aber wer sich die dicken Bücher Karlheinz Deschners sparen will, bekommt bei Kubitza eine gute Zusammenfassung der kritischen Religionsbetrachtung. Wobei es hier weniger darum geht, was "die Kirche" später aus den angeblich guten und edlen Werten gemacht hat. Hier geht es darum, die Anfänge des Christentums zu untersuchen. Jesus war nämlich, soweit er gelebt hat (wovon die Forschung heute ausgeht), ein eher verwirrter junger Mann, der sich als jüdischer Prediger in der Rolle des Reformators sah, nicht in der eines Religionsstifters, und dessen gewaltsamer Tod für ihn selbst und seine Jünger überraschend kam.

Dass die frühen Schriften des Christentums nicht als ethische Leitlinien taugen, wird Kubitza nicht müde zu betonen. Und das die Jesus-Jünger keine neuen Werte ins menschliche Moralsystem einfügten, ist eigentlich auch ein alter Hut.

Kubitzas "Jesuswahn" (der Titel orientiert sich offensichtlich an Dawkins' "Gotteswahn") ist als Arbeit gut geordnet, süffig und erfrischend polemisch geschrieben, und referiert den Stand der Dinge. Das muss manchmal auch sein.

Erich Sauer
Heinz-Werner Kubitza: Der Jesuswahn. Wie die Christen sich ihren Gott erschufen. Entzauberung einer Weltreligion durch die wissenschaftliche Forschung. Tectum, Marburg 2011, 382 S., 19,90