PALÄO-THRILLER

Der Stirn-Wulst-Schmöker

Nach den Dinos kommen die Uggahs. Abenteuer im "Tal des Lebens" unter halbtelepathischen Fast-Menschen

John Darnton ist der heißeste Autor Amerikas zur Zeit. Nicht, weil der New York Times Journalist 1982 einen Pulitzer-Preis für Berichte über die polnische Arbeiterbewegung gewann - sondern weil sein privates Hobby die Neandertaler sind. Kurz vor "Jurassic Park" kriegte er mühsam seinen Debüt-Roman über überlebende Stirn-Wülstlinge in der Gegenwart bei einem Verlag unter - kurz nachher überboten sich Disney mit Tony Scott, Paramout mit Tom Cruise und Spielberg mit einer Million Dollar für die Filmrechte.

Steven kriegte den Zuschlag - und Michael "Dino" Crichton ist sauer. Weil sein Frühwerk "Die ihre Toten essen" (deutsch als Taschenbuch bei Knaur) mit einem ähnlichen Plot zwar literarisch besser ist, aber wegen der wie immer bei ihm fehlenden Liebesgeschichte wohl unverfilmbar erschien. Das wurde 1999 als Der 13te Krieger nachgeholt.

John Darnton, der dafür dankenswerterweise die klugen Kinder wegläßt, kassiert derweil eine weitere Million für die amerikanische Taschenbuchausgabe - und das gerade erschienene deutsche Hardcover wurde schon vorab als der Hit des Herbstes verkauft. Nun ja.

Die Story: im fernen Pamir-Hochland haben unsere Vettern mit dem dicken Kopf überlebt. Und paläontologisch sowie parapsychologisch interessierte Geheimdienste schicken Expeditionen zu ihnen. Denn weil wir aus den Ausgrabungen weltweit wissen, daß sie zwar Kulte hatten, aber keine Sprache, muß da noch ein Geheimnis sein. Das bleibt am Ende ungelüftet, die nach mannigfachen Abenteuern russisch-amerikanisch zusammengewürfelt Überlebenden schweigen aus Artenschutz - und Held und Heldin kriegen sich, damit's ein Filmstoff wird.

Daneben fallen ein paar neuere echte Forschungsergebnisse zur Frühgeschichte ab, und ungefähr zwei Drittel des Buches leben von einer Schmöker-Atmosphäre so zwischen "Die Höhlenkinder" und "Akte X". Nur leider ist der Schluß-Effekt dann etwas zu verkopft. Er dreht sich um ein wirkliches archäologisches Rätsel, eine uralte Steinplatte mit Bildern einer Schlacht zwischen womöglich unseren Vorfahren und ihren Vettern. Und warum wir gewannen, und warum das kein Ruhmesblatt ist. Unter den Bettdecken von atemlosen Schülern der Sekundarstufe I wird das wohl für Gesprächsstoff sorgen. Erwachsenere sollten vor dem Kauf überprüfen, ob auf Seite 2 unten, im Exkurs über den Namensgeber des Vormenschen noch steht, im 17. Jahrhundert habe der Düsseldorfer Schulrektor Johannes Neumann seinen Namen zu `Neander = neuer Mann' "präzisiert". Und wenn ja, ob der der Verlags-Lektor inzwischen gefeuert worden ist.

WING

John Darnton: Das Tal des Lebens Deutsch von Wulf Bergner und Bernhard Robben. C. Bertelsmann, München 1996, 410 S.