Paranormales, seltsam Dummes und einfach Beklopptes
QUATSCH MIT SAUCE Kleine Teile der Redaktion haben ja einen Nerv für parawissenschaftlichen Blödsinn von Engeln bis Pendeln, aber was Joachim Koch und Hans-Jürgen Kyborg in Vernetzte Welten anrichten, ist schon behandlungsbedürftig. Erst gründeten die Amateurastronomen eine Volkssternwarte (gut), dann kippten sie Ende der 80er in die Kornkreise (ahem), und ab 1993 finden sie per Rutengehen auch unsichtbare Weizenknicke, darin dann komplette Sternkarten ausserirdischer Freunde, Stonehenge, Rudolfs Akasha-Chronik, Ruperts morphogenetische Felder ... es ist nicht zum Aushalten. Bemerkenswert immerhin, wie unaufgeregt die Herren ihre Campingsausflüge zur kosmischen Intelligenz beschreiben - und wie wenig sie sich mit dem Rest der kosmischen Blase vernetzten. Nichtmal Heinz Kaminksi, der letzte in den Paraspace abgehobene Astronom, kommt vor. Das ist aber schön, dass uns der Heyne Verlag nach Äonen und Regalmetern voller Kartoffeldruck-Orakel und Psi mit Haustieren nun als Sachbuch des Monats das Lexikon der übersinnlichen Phänomene präsentiert. Mit dem Aufkleber: Sachbuch des Monats - und: es ist wirklich eins! Denn James Randi hat es geschrieben. Der ist von Profession Magier und Entfesselungskünstler, von Passion aber Entlarver von Para-Schnickschnack. Randi lässt keinen Poltergeist unwidersprochen spuken, zertrümmert Ouja-Bretter und Aura-Fotos, löst das Bermuda-Dreieck und die Pyramiden-Kraft in Luft auf ... ach, kein Schein bleibt auf dem anderen. Bzw., bei den einfachen (wie Feuerlaufen, Kornkreise, Turiner Grabtuch) erklärt Randi, wie es geht; bei den populären (Pendeln, Rutengehen, Gabelbiegen) behauptet er nur, normale Zauberei erreiche den selben Effekt. Neben seiner Berufserfahrung hat er auch die Gerichte für sich: alle Klagen wegen übler Nachrede von Medien und Gurus gegen ihn wurden abgeschmettert. Randi ist ein wunderbarer Advokat für den gesunden Menschenverstand, und ein witziger dazu. Im Anhang seines Lexikons führt er zum Beispiel die schönsten Weltuntergangs-Prophezeiungen aus den letzten 1000 Jahren auf; allesamt falsch. Aber ist das ein Beweis? Und wenn ja, wofür? Martin Doehlemann ist Fachhochschul-Soziologe in Münster und hat ein Buch über die kulturelle Konstruktion von Unsinn geschrieben (Dummes Zeug). Weil es fast ein Fachbuch ist, wird "Dummheit behandelt als Sinnentwürfen zugeschriebene Eigenschaft", aber mit etwas Mitdenken kommt man über die professionellen Sprachhürden und den berufmässigen Zitatverhau hinweg. Aufwändig durchsucht Doehlemann Geschichte und Gegenwart nach kollektiven Dummheits-Urteilen, entlarvt IQ-Tests schnell als kulturspezifisch, und hat schon nach wenigen Seiten alle einfachen Vorurteile zerstreut. Andererseits, und hundert Seiten weiter, wird der ausgeklügelte Verdummungsapparat des Unterhaltungsfernsehens analysiert. Und dann erfindet Doehlemann den "Infolektualismus", die Geisteshaltung, die es schon für Denken hält "jede Nachricht und sofort" zu haben. Dummerweise fasst Doehlemann am Ende nicht zusammen, was wir von ihm gelernt haben sollten; oder liefert er gerade klugerweise keine abschliessende Theorie der Dummheit? Man kann bessere Bücher zum Problem schreiben, aber man sollte dieses vorher lesen. Frauen können schlechter einparken - und Männer können schlechter Bücher darüber schreiben. Jedenfalls Wolfgang Hars, der in Männer wollen immer nur das eine und Frauen reden sowieso zu viel Fakten zur Geschlechterfrage sammelt. Da ist manches Richtige bei (gleichzeitiger Orgasmus ist Sünde), einiges Überraschende (Polygamie ist männerfeindlich) und viel Blödsinn (Frauen kennen keinen Penisneid, weil ihre Klitoris auch ziemlich gross ist). Am schlechtesten einparken können übrigens Blondinen, aber dafür sind die auch besonders schwer rumzukriegen, jedenfalls in Schweden. Wer sowas glauben will, hat mit Hars' zusammengestoppelten "Stellen" aus der Fachliteratur am Stammtisch gut protzen. Ein paar Sex-Mythen werden dabei schon aufgeklärt, gute Sache das. Aber wenn Männer nachher nur noch schlafen und vorher nicht über ihre Gefühle reden wollen, dann können sie sich jetzt mit Hars und ihrer Hirnphysiologie entschuldigen. Oder doch eher seiner? WING
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Joachim Koch / Hans-Jürgen Kyborg: Vernetzte Welten Kopp, Rottenburg 2001, 342 S., 39.80 DM James Randi: Lexikon der übersinnlichen Phänomene / Heyne, München 2001, 400 S., 21.42 DM Martin Doehlemann: Dummes Zeug Waxmann, Münster/New York 2001, 210 S., 29.80 DM Wolfgang Hars: Männer wollen immer nur das eine und Frauen reden sowieso zu viel Argon Verlag, Berlin 2001, 255 S., 34.23 DM |