KRIMI

Mahlzeit!

Das zweite Krimijahrbuch ist vorwiegend peinlich

Herausgeber Dieter Paul Rudolph versammelt seine Kritiker gerne zu Schlachtplatte und Bierchen, um dabei über Krimis diskutieren zu lassen (was ja noch geht) und schreibt dann launige Artikel über solche Treffen (was gar nicht geht).
Wundert es da, dass der Szene-Lautsprecher Thomas Wörtche am Ende des Jahrbuches über die Mittelmäßigkeit der deutschen Krimiszene lästert, über das Maue im Mainstream? Schon Recht, Herr Wörtche, aber was machen Sie dann am gedeckten Tisch des Herrn Rudolph, jenes Lektüre-Spießers, der offensichtlich an verstopftem Expressionismus leidet und sein Vorwort so schreibt: "Wieder werfen wir genauere Blicke auf die deutschsprachige Kriminalliteratur und prüfende in die des Weltrestes. Auch an deren Ränder." Drollig, dass ausgerechnet so einer Sprachkritik betreibt.
Wenn Rudolph was zu sagen hat, dann geht das so: "Man sollte jeden, der diesen Roman abgelehnt hat, vor die versammelte Klasse der Krimiinteressierten zitieren und folgenden Satz aufsagen lassen: 'Ich füttere meine Leser lieber mit Mist als mit nahrhafter Kost.' Und das bitte 475 x. Danach geht´s ohne Abendessen ins Bett." - ernsthaft: Möchte man sich einen solch Knallkopf als Herausgeber eines Krimijahrbuches vorstellen? Und: Ist der deutsche Krimi nicht in genau jenem Zustand, dass er solch einen paternalistischen Eckensteher verdient hätte, der Lektoren ohne Abendessen ins Bett schicken möchte und seine Jünger zur Schlachtplatte bei "Pökel-Erwin" in Rüdesheim einlädt?
Der Mann ist nicht nur hochgradig daneben, er sammelt auch unfähige Autoren um sich herum. Frank Rumpel zum Beispiel ("studierte in Tübingen Empirische Kulturwissenschaft" - wenn´s wenigstens geholfen hätte!) interviewt D.B. Blettenberg, dessen neuer Roman "in Süd-Afrika" spielt, ein Land, mit Verlaub, das es nicht gibt, eine Schreib-Waise allerdings, die viel über die Folgen der "Empirischen Kulturwissenschaft" und den Geist dieses Jahrbuches verrät: Süd-Afrika, das ist doch dieser Zipfel am Ende dieses Kontinents wo sie immer alle Hungern und schwarz ... gut, dass mal ein Deutscher Bücher darüber schreibt!
Zu allem Übel und in aller Bräsigkeit doch logisch: Das Krimijahrbuch 2007 ist ein deutsches, ein sehr germanisches gar. 100 Seiten braucht es, bevor sich ein nicht-deutscher Krimi ins Jahrbuch verirrt. Da erfahren wir dann endlich, dass 2006 ja nicht nur der nette 150 Seiten-Band "Tannöd" erschien sondern auch Robert Littells Meisterwerk "Die kalte Legende", dass es nicht nur eine "öffnende Funktion von Pieke Biermann" (so Thomas Wörtche) gibt, sondern auch Die geheime Melodie von John Le Carré.
Das spannende im Genre findet, mit Verlaub, nicht in Deutschland statt, was sogar die Jahrbuch-Autoren irgendwann bemerken als sie deutsche und US-TV-Krimis vergleichen. Geniale Irre wie Jim Thompson haben die Amis im Dutzend, bei uns gilt Frank Göhre schon als ziemlich wild.
Seltsam auch, wie das Jahrbuch sich auf Buchveröffentlichungen konzentriert. Der Krimi im Kino wird summarisch abgehakt, der im Hörspiel kommt nicht vor, Comics scheint es so wenig zu geben wie eine Heftchen-Szene - es ist ein lausig löchrig Ding, dieses piefige Mainstream-Kompendium deutscher Einfalt, weniger Ergebnis einer Leidenschaft für Literatur oder ein Genre als für fettes Essen in der Pfalz.
Thomas Wörtches wilder Schluss-Essay wider die Mittelmäßigkeit fügt sich da nahtlos ein: An der Tafel von König Rudolph dem Viertelnachzwölften ist der einst seriöse Kritiker und Herausgeber Wörtche zum Pausenclown neben der Schlachtplatte degeneriert. Da kann er auf Kommando Schaum spucken. Garantiert folgenlos.
Alex Coutts
Christina Bacher, Ludger Menke, Ulrich Noller und Dieter Paul Rudolph (Hg.): Krimijahrbuch 2007. NordPark, Wuppertal 2007, 336 S., 20,-