Kurztipps Mai 2004

EAST-WESTERN

Cowboy Bebop - der Kino-Film zur Anime-TV-Serie. Mit einem ziemlich genialen Rock-Funk-Jazz-Score und der amerikanischsten (also auch hierzulande fast ganz nachvollziehbaren) Personenzeichnung und -führung ever. Großes japanisches Geschieße und Martial Art-SF mit einem Herz für die Präirie. Inkl. einem Zeichentrick (ein S/W-Western) im Zeichentrick und mit allerlei Extras für Fans. Anime-Anfänger werden aber ein paar Pokemon-Kruditäten störend finden.

Natural City - Koreas Antwort auf Blade Runner, Alien und John Woos Männerfeindschaften. Cyborg-Hostess verliebt sich in Cyborg-Jäger. Der haut sich mit seinem besten Freund. Alle sterben. Dahinter steckt eine Verschwörung, aber vor allem viel Regen und Traurigkeit. Irgendwie wollen ein paar Cyborgs den Menschen die Seelen klauen. Aber verstehen kann man den asiatisch elliptisch erzählten Realfilm-Comic eh kaum. Macht nix, sieht toll aus. Mit einer überflüssigen B-Roll.

JACKIE CHAN

Der Superfighter - lief mal als "Project A" arg gekürzt in den Kinos, hier ist eine ziemlich wiederhergestellte, 16 Minuten längere Fassung, allerdings immer noch mit der fürchterlichen zeitgenössischen deutschen Synchronisation: damals fand man es u.a. witzig, einen chinesischen Piratenkapitän mit norddeutschem Dialekt "schnaken" zu lassen; Deutschland, peinlich Vaterland ... Ansonsten enthält diese frühe Chan-Regie seinen ganzen anarchischen Witz, das um die Jahrhundertwende spielendes Abenteuer ist viel mehr "Keystone Cops" als Kung Fu-Film (es gibt eine gradezu göttlich atemberaubende und komische Verfolgungsjagd mit Fahrrädern durch die engen Gassen Hongkongs), sein Kumpel Sammo Jung ist - als Dieb mit Charakter und Co-Regisseur ohne Credit - auch dabei, und eine herrlich böse Herablassung gegenüber den britischen Kolonialherren ist auch drin. Außer der kantonesischen Sprachfassung gibt's leider keine Extras.

GAUNER

Mystic River - mit manchmal etwas aufdringlichem Symbolismus erzählt Eastwood einen kleinen Krimi mit tragischem Ende. Die gute Kamera, ein außergewöghnliches Darsteller-Ensemble (Sean Penn, Tim Robbins, Kevin Bacon, Lawrence Fishburn) und Eastwoods stilsichere Regie bringen die Geschichte angemessen über die Runden.

Ripley's Game - gelacktes Remake von "Der amerikanische Freund", von der Ex-Skandalfilmerin Liliana Cavani in die italienische Gegenwart verlegt und immerhin erlesen fotografiert. John Malkovich als der talentierte Mr. Ripley darf alle Knallchargen-Manirismen ausspielen und ein paar Mal kräftig töten. Trotzdem entsteht nicht mehr als gut gekühlte Langeweile.

HAUNTED HOUSE

Darkness - der ganze Film lastet auf den schönen schmalen Schultern von Anna Paquin, an der's nicht liegt, dass diese us-spanische Coproduktion den Hintern nicht hochkriegt. Familie zieht in verwunschenes Haus und wird langsam kirre - das haben wir oft gesehen, selten so artifiziell-langweilig und mit derart kruder Mystik bepackt. Die Bilder sind erlesen, der Rest ist Quatsch.

GOLDEN OLDIES

Jagt den Fuchs - altmodische Gauner-Alberei mit Peter Sellers als Meisterdieb, der dem echten Regisseur (Vittorio De Sica) die Kamera klaut, um mit einem falschen Film-Dreh viel Gold zu schmuggeln. Lustig.

Das letzte Ufer - neulich gab's ein überflüssiges High-Tech-Remake, dies ist das still verzweifelnde 60er-Original: Gregory Peck, Ava Gardner, Anthony Perkins und Fred Astaire erleben die letzten Tage der Welt. Keine Extras.

Luftschlacht um England SE - Lange, bunte Material-Schlacht von Bond-Regisseur Guy Hamilton. Wie konnten 400 RAF-Piloten die fünffach überlegene deutsche Luftwaffe besiegen? Heldenhaft natürlich. Inzwischen ist die Bonus-DVD mit vielen Featurettes interessanter, vor allem der Kontrast zwischen einem zeitgenössischen PR-Beitrag und den Erinnerungen heute.

Shane - Alt-Edel-Cowboy Alan Ladd gibt den müden Revolverhelden Shane, zwar im weissen Anzug, aber mit tiefdunkler Weste. Der letzte der großen, ungebrochenen Western. Viel Kitsch, ein junger Jack Palance und ein rührender Kommentar vom Sohn des Regisseurs George Stevens

KLEINE MÄDCHEN

Whale Rider - die Geschichte eines Maori-Mädchens, das sich gegen die Männertradition stellt und zum Chief ihres Stammes machen möchte, hätte der pure Ethno-Kitsch werden können. Aber Regisseurin und Drehbuchautorin Niki Caro hatte die richtige Mischung aus Respekt und Bodenständigkeit, um eine bewegende Geschichte über Tradition und Wandel und Emanzipation zu machen. Und sie hatte Keisha Castle-Hughes, eine unglaubliche Kinder-Schauspielerin, der man auf der DVD schon bei den Proben ansieht, was sie für ein Talent ist. Zusätzlich gibt es ein "Making of", ein Special ("Wie baue ich ein Kanu?") und einen Audio-Kommentar der Regisseurin. (DVD)

GROSSE MÄDCHEN

Ganz und Gar - diese Provinz-20jährigen sind ganz und gar unhip, und vielleicht deshalb wirkt dieses Regiedebut über Freundschaft, Liebe und wie man erwachsen wird, so frisch und entspannt: Der Held der Clique verliert ein Bein, um sich zu beweisen, dass er noch ein ganzer Kerl ist, spannt er seinem besten Freund die Freundin aus. Die DVD enthält "entfallene Szenene" (die seltsamer Weise ein anderes Bildformat haben als der Film auf DVD), Interviews mit Schauspielern, dem Regisseur, der Drehbuchautorin und der Produzentin sowie ein kleines "Making of". (DVD)

NATUR

good film food - war ein 2003er Filmhochschul-Wettbewerb für Image-Spots und freie Arbeiten über die ökologische Landwirtschaft. Die vom Künast-Ministerium geförderte DVD enthält viele etwas bemüht witzige und meist einen Tick zu pädagogische Werke, aber auch einige Perlen. In den Extras versteckt liegen noch urkomische Ausschnitte aus DDR-Bauernpower-Filmen bei und gute Kurzspots zum 2004er Thema Natur. Zusatzspaß: weil der DVD-Vertreiber Salzgeber sonst eher für Schwulenfilme bekannt ist, kann man Anklänge suchen und viele, sicher unbeabsichtige, finden. (DVD)

PACKAGES

Der mit dem Wolf tanzt - auf 4 DVDs gibt es die beiden Kinoversionen, 100 Minuten Dokumentation und Making Of sowie 4 Audio-Kommentare von Regisseur, Produzent, Kameramann und Cutter. (4 DVDs)

This is Spinal Tap - die klassische Fake-Doku-Komödie über Aufstieg und Fall einer Rock-Band. Als Special Edition jetzt mit ganz viel Musik-Videos und kleinen Echt-Doku-Schnipseln. (2 DVDs)

HORROR

The Fog - John Carpenters vermutlich reinster Horror-Film. Die Extra-DVD enthält 45 Minuten Dokumentationen und weitere Extras . (2 DVDs)

NAZIS

Hitlerjunge Salomon - ein junger Jude schwindelt sich als Hitlerjunge durch das Dritte Reich. Nicht schlecht, nicht gut, eher ein Zeitdokumet über den Umgang der 90er mit den 40ern. Keine Extras. (DVD)

Babj Jar - ein Wehrmachts-Massaker an 33771 russischen Juden, das Deutschlands Schund-Produzenten Opa Atze "Lederhosen" Brauner schon seit den 50ern verfilmen wollte. 2002 schaffte er es mit einem schlechten amerikanischen Regisseur und kaum Geld endlich. Bauerntheater gegen den Fachismus, ästhetisch mißlungen, inhaltlich beeindruckend. (DVD)

Das schreckliche Mädchen - eine Schülerin in Passau kriegt Stress, als sie die Nazi-Vergangenheit ihrer Stadt aufarbeiten will. Sehr ordentliches Aufarbeitungs-Drama. Mit 60 Minuten Dokumentation. (DVD)

HARD BOILED

Kill Bill 1 - die Blutsuppe ist Geschmackssache, der Musikeinsatz bisweilen eigenwillig, optisch hingegen ist Tarantinos Aufbereitung von 50 Jahre Action-Kino perfekt. Und Uma Thurman als "Black Mamba" die beeindruckenste Killerin der Kinogeschichte. Auf der DVD sind leider nur ein kurzes "Making of" sowie zwei Musiknummern der auch im Film vorkommenden japanischen Mädelsband "5,6,7,8s".

Die Regeln des Spiels - Rules of Attraction - vordergründig ein schmutziger Collegefilm über Drogen, Intrigen und ersten Sex in den 80ern. Hintergründig ein kaltes Meisterwerk über den Tod der Liebe, dessen genialste Idee es war, den fiesen Hauptcharakter Sean Bateman mit dem süßen Hauptdarsteller James van der Beek aus "Dawson's Creek" zu besetzen. Nach einem Buch von Bret Easton Ellis macht der Film seine Beobachtungen, dass Sex die kälteste Tätigkeit überhaupt ist. Und dass das vielleicht daran liegen mag, dass die Welt vollkommen leer geworden ist. Bei derlei Themen nicht sentimental zu werden, im Gegenteil: dabei einen Stil zu finden, der einem in seiner Brutalität den Atem stocken läßt, ist ungewöhnlich. Die DVD enthält ein "Making of" und einen Audiokommentar, in den die Porno-Legende Ron Jeremy 'reinquasselt.

KICK IT

EM-History ... mehr als nur Fußball - Rückschau auf die Europameisterschaften im Herrenfußball. Die Zusammenfassung der Spiele ist recht nett, die Präsentation des jeweiligen Umfeldes geschieht im flapsig-fehlerhaften Ton, wie er bei PR-Agenturen üblich ist. Da "beugt sich sich Nixon dem Druck und beendet den Vietnam-Krieg" oder das Ramstein-Unglück "beendet den Wahnsinn von Flugschauen" - sprachlich so schief wie sachlich falsch. So geht das dauernd und wird nicht besser (Nina Hagen war nicht die Lebensgefährtin von Wolf Biermann, liebe PR-Fuzzis). Wer die 200 Minuten-Leistungsschau überlebt, verläßt sie bestenfalls so blöd wie er sie betreten hat.

CHILLOUT

Chillin' Movies #2 - seltsamer Sampler von 20 Video-Clips (90 Min.) zu relaxtem Soft-Techno. Stadtansichten, Ballett in SloMo, Landschaftsstudien, Farbspiele ... alles Zeugs, was man sich vor 10 Jahren gern in die BrainTeaser-Brille gespielt hätte. Oder in den den Sterbe-Dom von Soylent Green. Optisches Ambient-Material, eine Art Lava-Lampe für das neue Jahrtausend. Good Stuff for VJs.