Kurztipps Juli 2004

LEERLAUF

Lost in Translation - Japan ist ein verrücktes Land, vor allem wenn man unter Schlaflosigkeit leidet und allein ist. So finden Bill Murray und Scarlet Johansson in Sofia Coppolas fast dokumentarisch gestalteter Nachtarbeit zueinander, er als alter TV-Star, sie als nutzlose Gattin eines Fotografen. Zusammen haben sie ein paar Tage, um über das Leben, die Liebe und die Einsamkeit zu reden, und finden darüber Gefallen aneinander. Dann ist der Film zuende, und beide wissen: die besten Momente im Leben kommen immer zur falschen Zeit.

Die Firma futurebeats produziert seit kurzem jede Menge Fahrstuhlmusik für Videowände. Neuerdings etwa Buddha Beach mit einem Dutzend in Ton und Bild ostasiatisch angehauchten Trance- und Ambient-Nummern, und Ethno Café mit einem etwas breiteren Weltmusik-Spektrum. Immer aber ist der 5.1 Sound "loungig", rumhängend, das akustische Äquivalent zur Lavalampe. Wer einen Bildschirmschoner fürs Gehirn braucht, zu dem man auch sanft tanzen kann, ist bei der Muzak von Fly, Canda oder Guru Atman richtig.

LANGFASSUNG

Alien 3 - SE - eine von Regisseur Fincher nicht autorisierte, vom Studio erstellte längere Fassung, die an vielen Stellen schlechter ist als das Kino-Original, allerdings auch einige Szenen enthält, um die Fincher damals heftig gerungen hat, bevor das Studio ihn zwang, sie rauszunehmen. Zusammen mit der Kino-Fassung ist die Langversion auf der ersten DVD zu sehen, die zweite enthält den ganzen Zoff, den es damals um die Produktion gab, und selten hat ein Studio sich so offen zu seinen Fehlern bekannt wie hier Fox, die auch die DVD rausbringen. Diese längere Fassung von Alien 3 war bisher nur auf der teuren 9-DVD-Edition zu sehen, jetzt gibt es sie auch einzeln. (2 DVD)

KURZFILME

Cinema 16: European Short Films - ein ganzes Avantgarde-Festival auf einer Scheibe. 16 kurze Filme europäischer Regisseure, von Deutschland (Tom Tykwer) bis Italien (Nanni Moretti), von früher (Jean-Luc Godards Debüt, nach einem Buch von Eric Rohmer) bis beinahe heute (Juan Solanas' Cannes-Gewinner von 2003), von niederdrückend realistisch (Peter Mullans schottisches Hinterhof-Drama) bis zum Brüllen verrückt (Das Geheimnis der Tlompete). Mit Kommentaren und Untertiteln.

POLITIK

Power & Terror - Noam Chomsky schimpft über Bush. Das ist unterhaltender als diese biedere Dokumentation.

KINO

Bellaria - So lange wir leben - ein Kino in Wien spielt seit den 50ern jeden Tag einen anderen Film, aber immer aus der guten alten Zeit. Dass das meistens Kriegszeit war, kommt in der Dokumentation von Douglas Wolfsperger kaum vor. Lieber beguckt er liebevoll skurrile Typen und das morbide Flair rund um das Bellaria. Vom Leben längst Überholte klammern sich an Marika Rökk-Romantik, Hungerleider sparen sich den Kinobesuch täglich vom Munde ab.

OLDIES

Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen - alle 13 Folgen, mit einem schlappen zeitgenössischen lnterview als Special auf allen 3 DVDs. Dieses seltsame Swinging 70ts-Kinderabenteuer hat immer noch was. Vor allem Charme, die wilde Kamera der Schulmädchen-Filme und einen herrlichen Bösewicht, Horst Frank.

ZOMBIES

Undead - eine teuer aussehende aber billigst gemachte Horror-Humoreske aus Australien, fast wie Peter Jacksons Braindead selig, nur mit modernen Computer-Effekten. Grausige Schauspieler, ganz viel Blut, eine verdrehte Story über E.T.s und herumwankende Leichen, und schlechter Geschmack, wo man hinguckt.

ETHNO

Die Salzmänner von Tibet - Ulrike Koch beobachtet tibetische Bergnomaden bei ihrer rituellen Reise in die Ebene, um Salz zu holen. Wir sehen grandiose Landschaften und verwitterte Gesichter, aber wir kriegen fast nichts erklärt. Ein englisches Interview bei den knappen Extras hilft ein bißchen.

PHILIP K. DICK

Paycheck - der falsche Regisseur (John Woo) treibt genau den richtigen Hauptdarsteller (Ben Affleck) als Ahnungslosen durch ein Komplott, den eine Romanfigur vor seiner Gedächtnislöschung angerichtet hat. Netter Denksport mit geradezu störenden Action-Pausen und einer völlig unterforderten Uma Thurman.

SERIEN

Voyager 1/2 - da fliegt sie nun, die 3. Post-Kirk-Enterprise-Serie, und spaltet das Fandom. Vom Start weg fanden Jungs, es rummse mehr als bei Deep Space Nine, und Mädels sahen den Fähnrich gern. Sogar "Science Fiction"-Themen waren wieder mehr drin, trotzdem: Käptn Janeways Kahn ist ein Gummiboot. Jetzt mit allerlei Bonus-Anbauten.

BÜRGERDRAMEN

Die Blume des Bösen ist der 50. Film von Claude Chabrol und nicht wirklich überraschend. Es geht um die Lügen der Bourgeoisie, die Macht der Liebe und die reinigende Kraft des Verbrechens. Überraschend ist nur, wie Chabrol seine immer gleichen Geschichten routiniert und lässig erzählt. Er verweigert jede Dramatik, die Spannung kommt nur aus der Langsamkeit, mit der er seine Geschichte entwickelt. Er inszeniert die bürgerliche Tragödie als Farce, routiniert, witzig, charmant. Das Leben ist ein Spiel mit Michel Serrault und Isabelle Huppert erzählt die Geschichte des sich gegenseitig betrügen wollenden Gaunerpärchens gepflegt routiniert. Süßes Gift lebt von der überwältigend unscheinbaren Isabelle Huppert. Alle drei Filme hat der Verleih in einen Schuber gepackt, dazu gibt's auf allen DVD lediglich das gleiche prätentiöse 30minütige Essay "Die Welt des Claude Chabrol", das von Eckart Schmidt für "Die Blume des Bösen" gedreht wurde und das von drei Mal gucken auch nicht besser wird. (3 DVD)

NAZIS

Rosenstraße - Katja Rieman rettet Deutschland. Ach, fort mit Häme, sie gibt die erfundene deutsche Baronesse mit inhaftiertem jüdischen Mann ganz ordentlich. Drumherum montiert Margarethe von Trotta eine Geschichtsstunde wie im Kasperle-Theater. Hier guckt der Nazi bös, da der Geknechtete empfindsam, jetzt organisiert sich ein Frauenaufstand, und so hat das alles mit der Gegenwart zu tun. Als wollte die Trotta Frau Knopp werden.

LIEBE

Junimond - wie die zwei Königskinder wohnen hier zwei gegenüber, getrennt durch eine Straße, gucken einander ins Leben und wollen Freunde sein, nicht Liebende, weil Liebe am Ende immer nur wehtut. Bevor der Film sie dann in ein dramatsiches Ende jagt und dabei den eigenen Rhythmus verliert, pflegt er eine ganz undeutsche Melancholie, wie so wohl nur in Paderborn entstehen kann, wo der Film gedreht wurde.

LEBEN MIT MUSIK

Laurel Canyon - warum man das Leben nicht so ernst nehmen sollte, die Liebe hingegen schon. Frances McDermond ist irgendwie Joni Mitchell, was ihrem inzwischen spießigen Sohn ziemlich peinlich ist. Kate Beckinsale als anfangs klemmige Schwiegertochter kapiert sehr viel schneller, wie man Spaß haben kann. Eigentlich nur auf einem Set gedreht, lebt das vor allem von dem grimmigen Humor der großartigen Frances McDermond und der scheuen und kecken Erotik der vielseitigen Kate Beckinsale. Im Audiokommentar wird erklärt, wie das alles gemeint ist