Kurztipps März 2005

GAUNER

Get Shorty - 1994 und 1995 kamen zwei Filme ins Kino, die dem Gangsterfilm Stil und Bedeutung zurückhaben: Pulp Fiction und Get Shorty. Beide Filme hatten einen Hauptdarsteller gemeinsam: John Travolta. Zufall? Auf der Special Edition, die MGM jetzt zum 10jährigen Jubiläum herausbringt, erfahren wir unter anderem, dass Travolta die Rolle des Chili Palmer in Get Shorty ablehnte (erst als Tarantino ihm zuriet, sagte er ja). Und Buch-Autor Elmore Leonard war einigermaßen entsetzt. "Wen nehmen die? 'Kuck mal wer da spricht?'-Travolta?" Auch Gene Hackman lehnte zunächst ab ("Ich spiele keine Komödien, ich bin nicht komisch!" - "Deshalb will ich dich ja gerade haben" antwortete Regisseur Sonnefeld). So versammeln die 2 DVD nicht nur viel Material zur Entstehungsgeschichte eines Filmes, den sein Regisseur nach Abschluss der Dreharbeiten hasste ("Mein Gott, ich habe den langweiligsten Film aller Zeiten gedreht!"), sie bringen auch einen Film zurück, der zu Recht inzwischen ein Kassiker der Gangster-Comedy ist. Und sogar wir hatten vergessen, dass James "Soprano" Gandolfini darin eine kleine, aber feine Rolle spielt. (2 DVD, viele Extras)

James Ellroy - Ein amerikanischer Alptraum - der wohl wichtigste Crimewriter der 80er und 90 hat zweifellos eine Doku verdient, wenn auch nicht diese: bieder und aufgeblasen baut der Österreicher Reinhard Jud einen Film, der nichts erklärt und nur auf die "sensationelle" Biografie Ellroys setzt. Die war, als der Film entstand, tatsächlich nicht sehr bekannt, weshalb der Film einen gewissen Überraschungswert hatte. Überraschend ist heute allenfalls, dass der Verleiher "absolut Medien" nirgendwo auf dem Cover, der DVD oder im Booklet erwähnt, dass das Ding von 1993, also 12 Jahre alt ist; präsentiert wird der Film als scheinbar aktuelle Dokumentation. Sowas kann man "PR-Gag" nennen, aber es gibt schlimmere Worte dafür.

MEMORIES

Die Vergessenen - ein Film, in dem Julianne Moore in fast jeder Szene auftaucht, kann nicht wirklich schlecht sein. Tatsächlich ist Joseph Rubens Thriller eine breitgetretene, optisch allerdings überwältigende "X-Files"-Folge mit schlappem Ende. Auf der DVD gibt's einen Audiokommentar des Regisseurs und des Drehbuchautors, die aber beide nichts Erhellendes mitzuteilen haben.

HELDEN

Zatoichi- Cineasten wissen, dass der Western und das Land der aufgehenden Sonne auf das seltsamste verwandt sind. Mit viel Europa dazwischen. Akira Kurosawa etwa holte Shakespeare nach Japan, Generationen von Cowboys holten "Sanjuro" und die "7 Samurai" nach Amerika - und der volkstümliche Held "Zatoichi" adapatierte "Zorro" für die Reisfelder und wurde zum Vorbild für Luke Skywalker. Jetzt bringt Multi-Talent Takeshi Kitano den blinden, säbelschwingenden Masseur - zu einem postmodernen kitschig-blutigen Revival. Breiter Kitsch, stoischer Wumms und am Ende überschäumende Revue-Lust machen Zatoichi zu einem außerordentlichen Erlebnis.

KÖRPER

Fascination - Jacqeline Bisset wird älter und muss es wohl für Geld tun. Wie kam sie sonst in diese verquaste familienmörderische Inzest-Show, die Klaus Menzel mit einem halb-deutschen Team in Florida anrichtete wie eine "Emmanuelle" auf Baldrian in Spitzenhöschen? Schöne junge Körper räkeln sich in einer unübersichtlichen Familen-Tragödie herum. Hat meine Mutter ihren Mann umgebracht? Steckt ihr neuer Lover dahinter, dessen Tochter ich vögele? Was weiss die davon? Und warum ertränkt der Regisseur jede Spannung in sonnigen Bildern, gelacktem Softsex und hauchzart-stöhnendem Soundtrack?

FRAUEN

Schöne Venus - Mysterien eines Frisiersalons: Tonie Marshall (Buch & Regie) inszeniert einen traurigen Reigen um den Beauty-Salon "Schöne Venus" herum, wo drei Frauengenerationen für die verschiedenen Grade der Liebeserfahrung stehen: die jüngste ist ein naives Luder, die Mitt-Zwanzigerin hat gerade ihren ersten Selbstmordversuch hinter sich, und Nathalie Baye als Mittvierzigerin lebt nur noch von One-Night-Stands, weil sie von der Liebe die Nase gestrichen voll hat. Mit einer Mischung aus Romantik und Melancholie guckt Marshall den Frauen dabei über die Schulter. Und wir entdecken: Liebe verletzt - immer. Oder wie die anbetungswürdige Baye im Film sagt: "Liebe ist nur ein Vorwand, um den Anderen seiner Freiheit zu berauben" - und dann verliebt sie sich mit Haut und Haaren.

Die Promoterin - "Against the Rope" (wieder ist der Original-Titel um Klassen besser) sollte Meg Ryans "Erin Brokovich" sein. Meg trägt wilde Outfits und schlägt sich vom Vorzimmer-Schönchen zur fiesen Box-Promoterin unter Business-Haien hoch. Die Story ist halb-echt (ihr Rollen-Vorbild tritt in den Extras auf), der Plot lässt sie fast zum Arschloch werden, aber meist ist es doch nur Kasperltheater. Das amerikanische Dilemma "erfinde dich neu & bleibe dir treu" haut sich k.o., gerade weil die Box-Passagen so gut geraten sind. Debüt-Regisseur Charles S. Dutton kriegt Charakter-Studie und Sport-Fest nicht zusammen, die ehrliche dicke Trainer-Haut aber gibt er sehenswert.

PRIESTER

The Good Shepherd - kleiner kanadischer Krimi über einen Kirchenmord. Beeindruckend: Christian Slater als zynischer Priester, der durch die reine Naivität eines in Nöten geratenen Amtskollegen verunsichert wird.

BRITISH

The Long Good Friday - Rififi am Karfreitag - deutsche Titel waren auch in den 80ern schon kreuzdämlich. Jedenfalls erlebt hier der junge und schon brillante Bob Hoskins als Londoner Gangsterboss eher sein Golgatha als Rififi: gerade als er mit der US-Mafia einen Deal abschließen wird (im Hintergrund immer präsent: so wurde London in den 80ern verscherbelt), wird ihm die Mutti weggebombt, sein bester Freund gemeuchelt... da will jemand Krieg. Der zwischen Realismus und Krawall pendelnde Film hat mit Hoskins und Helen Mirren zwei Top-Leute, die das Ensemble überragen. Sunfilm startet damit eine 12teilige Reihe, in denen Filme der George Harrison-Firma "Hand Made Films" präsentiert werden, die für das britische Filmwunder in den 80ern verantwortlich war.

KINDISH

30 über Nacht - 13jährige Zahnspangengöre verwandelt sich in ein 30jähriges Luder und lernt was über "wahre Werte". Überraschend: Jennifer Garners grosses Talent als Komikerin (was vor allem in den geschnittenen Szenen zu bestaunen ist), aber selbst sie kann diese Flachsinns-Komödie nicht retten.

BAUERN

The Locals - wird angepriesen als "der Horror-Hit aus der Heimat von Herr der Ringe-Regisseur Peter Jackson" und ist ein harmloser Teenie-Grusel. Zwei City-Slacker fahren raus aufs Land und bekommen es mit mordlustigen Farmern zu tun. Spannend wird das nicht, die Auflösung kommt unüberraschend, die hölzernen Darsteller und die lausige Synchronisation tun ihr übriges. Auch die Extras hauen einen nicht vom Hocker: Langweilige Interviews, ein nichtssagendes "Behind the Scenes" und ein überflüssiger Audiokommentar.