Kurztipps August2005

VERGESSENE KRIEGE

Radiowest - drei italienische UN-Soldaten erleben ihren Dienst im Kosovo als ziemlich unübersichtlich, was aber weniger der politischen Lage als einem wirren Drehbuch geschuldet ist. Die jederzeit biedere italienische TV-Produktion verschenkt all ihre dramatischen Momente und flüchtet sich in humorfreie absurde Dialoge.

DUMME HALUNKEN

Old Men in New Cars - völlig mißratenes Prequel zu In China essen sie Hunde, in dem drei Geschichten um den cholerischen Gauner Harald wirr zusammengekloppt wurden. Obwohl fast alle Figuren aus dem Vorgänger-Film vorkommen, bleibt hier alles blutleer, albern und unkomisch.

PAUL GIAMATTI

American Splendor - Semi-Doku über den US-Nobody Harvey Pekar, der seit Jahrzehnten sein Alltags-Leben in Comic-Texte verwandelt. Paul Giamatti als depressiv-aggressiver Kleinbürger Pekar legt eine großartige Performance hin, das Drehbuch mixt sehr klug Fiction & Reality, trotzdem ist der Film für Nicht-Fans eher belanglos.

Sideways - netter Stimmungsfilm über das Suchen und Finden der Liebe unter dem Einfluss von Pinot-Trauben. Giamiatti als erfolgloser Schriftsteller zieht mit seinem Kumpel noch mal um die Häuser, bevor der unter die Haube kommt. Obwohl Giamatti vom Drehbuch ziemlich im Stich gelassen wird, vermittelt seine wundervolle Darstellung das Bild eines depressiv-neurotischen Losers, der Liebe nicht mal findet, wenn sie direkt neben ihm sitzt (in Gestalt der schönen Virginia Madsen). Zu sehen sind außerdem einige wenige geschnittene Szenen, die Regisseur und Co-Autor Alexander Payne etwas zu ausführlich kommentiert.

COMIC

Elektra - als unfreiwilliger Nachfolge-Film zum unsäglichen "Daredevil" ging diese exzellente Marvel-Verfilmung leider unter, die einerseits schlicht (aber mit wuchtigen Bildern und großartigen Effekten) der Comic-Dramaturgie folgt, andererseits in Jennifer Garner eine Vorzeige-Heldin hat, die den ganzen Film über tragisch gucken darf, die ironische Grundstimmung dennoch nicht stört. In den "Extras" erzählt "Elektra"-Erfinder Frank "Sin City" Miller ausführlich, wie er zu dieser Figur kam. Nach "Herrschaft des Feuers" hat Ex-"X-Files"-Regisseur Rob Bowman damit eine weitere durchaus beachtliche Arbeit vorgelegt.

Ralf Königs Lysistrata - eigentlich ist das ja ein spanischer Film, der völlig ohne Zutun des deutschen Knollennasen-Schwulen-Witze-Zeichners entstand. Aber dann durfte er doch bei der Synchronisation mittun, holte Monty Arnold und Lilo Wanders ins Boot und fand die Lysistrata am Ende die beste König-Verfilmung bisher. Die Athener Frauen treten in den Sex-Streik, um den Krieg mit Sparta zu beenden. Die Athener rennen fortan mit riesig angeschwollenen Gemächten herum. Bis die örtlichen Tunten Zwangshomosexualität einführen und sich plötzlich die Haudegen über alle Fronten hinweg ineinander vergucken. Und die politischen Lesben auswandern. Politisch mehrfach unkorrekt, aber lustig und mit einem netten Making Of vom Dreh .

HORROR

The Grudge - Der Fluch - in Tokyo steht ein knötteriges Haus, und darin wohnt ein Geist, der jedem, der ihm in den Wandschrank guckt, die Rübe abreißt. Incl. Sarah Michell Gellar, die Takashi Shimizu ein Remake seines japanischen Originals mit deutschem Geld und amerikanischen Schauspielern machen ließ. Zum Glück blieb die japanische Art des Durcheinander-Erzählens erhalten, bis hin zu einer Szene, in der drei Zeiten zugleich an den Nerven zerren.

GEFÜHL

Der Schutzengel - William H. Macy, einer der besten Schauspieler der Welt, macht einen zerstörten, versoffenen, stummen Hausmeister, dem zufällig eine quirlige 10jährige Waise anvertraut wird. Natürlich rettet die Unschuld den Versager, soviel zum Klischee, aber der Weg dahin ist wirklich rührend. Und vor allem gekonnt. Weil die Hauptperson kein Wort spricht, hängt alles an der Regie von Steven Schachter - und vor allem an Macys Spiel.

WISSEN

Raumschiff Erde - hui, da saust unser kleiner blauer Boden unter den Füßen einmal um das gelbe Etwas im Himmel herum und braucht 2 volle DVDs dafür, fast 7 Stunden. Denn dieser französische Crash-Kurs in Planetologie erklärt, auf 52 Wochen-Kapitel verteilt, ausführlich alles mögliche von Apogäum bis Zentrifugalkraft, Jupitermonde bis Kalenderreform, Gezeiten bis Weihnachtsstern. Die Grafik ist einfach, aber lehrreich, der gesprochene Kommentar liegt auf Schulniveau, überall wird nicht mit Zahlen und Effekten geklotzt, sondern klug gekleckert: das Universum für Anfänger, vom Fenster des Raumschiffs Erde aus betrachtet. Eine gute Führung. (2 DVDs)

DEUTSCH

Kammerflimmern - Hendrik Hölzemann will wohl Tom Tykwer werden. Dessen Traum-Ton trifft der junge deutsche Regisseur (26) in seinem Debüt schon gut, nur die Geschichte (Hölzmanns zweites Drehbuch nach Nichts bereuen) holpert etwas. Vielleicht, weil sich Autobiografie und Dramaturgie nicht recht vertragen? Ein Rettungssanitäter mit Kindheitsnarben (wie Hölzemann) rettet traumwandlerisch aber hoffnungslos im Kölner Nachtleben herum, bis er sich in die schwangere Freundin eines Drogentoten verguckt. Und später als ihr Sohn wiedergeboren wird? Im letzten Bild steht der Held (Matthias Schweighöfer) nach einem Unfall blutüberströmt am Scheideweg im eigenen Kopf im Regen: sterb ich oder leb ich? Und seine Freundin (Jessica Schwarz) weint auf ihn. Hach.

Vom Suchen und Finden der Liebe - Orpheus ist tot und Eurydike singt Chansons von Harold Faltermeyer. Helmut Dietl versucht, ironischen Kitsch mit dem griechischen Mythos, der romantischen Gluck-Oper und einer nackten Anke Engelke zu machen. Manchmal witzig, selten anrührend, meisten tragisch oberflächlich, wenn auch sehr gekonnt.

SCHRÄG

Kopflos - 8 Köpfe im Koffer - Joe Pesci im Regie-Debüt des Autors vo. Er soll 8 Köpfe von Mafia-Delinqenten zum Capo bringen, aber die Transporttasche wird vertauscht. Das ruiniert einem schnöseligen Medizin-Studenten den Antritts-Urlaub bei den Eltern seiner Braut (unsäglich wie immer: Kristie Swanson). Es geht ziemlich skurril zu, es hagelt Wortwitze mit "head", die die Synchro natürlich fast alle verpatzt, aber es ist dann doch mehr albern als schwarz. Als Extra gibt's nur eine Featurette.

Bad Apple - Chris Noth (Mr. Big) und Colm Meany (Mr. O'Brien) jagen als FBI-Agenten mit Samendrang und Zahnschmerzen oberfiese Mafiosi, den durchgeknallten Robert Patrick (der spielt, wie ein junger Christopher Walken) und den gefährlich gemütlichen Elliott Gould. Es ist schon lustig, wie sich alle neben ihre Klischees benehmen und Kettensägen Brustimplantate kreuzen ... aber mehr auch nicht. Keine Extras.

Team America - absolut hinreissend. Eine Bande Marionetten verteidigt mit grossen Sprüchen die freie Welt bis nichts mehr davon steht. Die South Park-Macher drehten einen Bruckheimer-Action-Knaller gegen jede Helden-Attitüde. Es gibt Puppen-Sex, Puppen-Splatter, Puppen-Musical und eine albern-böse Abfuhr für die Idee der Weltpolizei, für Alec Baldwin als besten Schauspieler der Welt und Kim Il Sung als besten singenden Blofeld des Kinos. In Nord-Korea ist der Film verboten, wieso er es in Amerika nicht ist, ist ein Rätsel. Die Special Collectors Edition enthält jede Menge Extras.

KLASSIKER

Kampf der Welten - der Film von 1952 lehnt sich mehr an die Hörspielversion von Orson Welles an als an den Mars-Invasions-Roman von H. G. Wells. Zwar kreischt die Heldin zu viel, aber das komplette Versagen des Militärs und der Rückfall der eroberten Kleinstadt-Amerikaner in die Plünderei sind auch heute noch Inhalt genug.