Kurztipps Oktober 2005

KOMÖDIE

Die große Verführung - in netter Ausstattung erscheint diese launige Farce über ein Fischerdorf, das sich einen Arzt und eine Fabrik zurechtlügt. Neben einem dicken Booklet gibt es eine zusätzliche Szene (kein "alternatives Ende", wie angekündigt wird) und einen Filmkommentar zu stehenden Bildern. Der allerdings ist so schlecht gesprochen und technisch lausig aufbereitet, dass es schwer fällt, dem zu folgen.

GENETIK

Code 46 - im Kino ging Michael Winterbottoms Science Fiction Love Story völlig unter, obwohl er mit Tim Robbins einen respektablen Star vorzuweisen hatte. Der reist in naher Zukunft als empathischer Ermittler durch die Welt und entlarvt Gauner. Als er sich vor lauter Empathie verliebt, geht der Ärger los, und Winterbottom zeigt uns eine Gesellschaft, in der die "Drinnen" alles haben, wohingegen die Verbannten, die Flüchtlinge ohne Schutz in der Wüste vegetieren. Wer wozu gehört, entscheidet ein anonymer Computer namens "Sphynx", der auf die Gen-Reinheit der Bevölkerung achtet und dem niemand widerspricht. Das alles sieht so wenig nach Science Fiction aus (und die Love-Story ist so wundervoll dröge), dass das niemand sehen wollte - zu Unrecht: der Film hat seine Meriten und Momente und ist bei knappem Budget beeindruckend fotografiert. Die DVD enthält "entfallene Szenen" und ein kurzes "Making Of".

Immortal - wirre, aber optisch überwältigende Verfilmung zweier eigener Comics von Enki Bilal, die mit ägyptischen Göttern und einer blauhaarigen Dame wie geklaut aussieht - aber Bilals "Nikopol"-Comics sind älter als "Das fünfte Element" oder "Stargate". Die Geschichte ist etwas schleppend - verurteilter Gott hat sieben letzte Tage auf einer genetisch vermurksten Erde - aber die Mischung aus CGI und Real-Schauspielern ist atemberaubend, zumal Bilal wirklich brillante Design-Ideen hat.

SEX

9 Songs - weil in seinen bisherighen Filmen kaum Sex vorkam, wollte Michael Winterbottom alles in einem Film nachholen. Die Idee: Liebe darzustellen, indem man alles Psychologisieren weglässt und stattdessen ausgiebig ein Paar beim Sex filmt. Heraus kam dabei "der freizügigste britische Film aller Zeiten" (Winterbottom), der vorwiegend aus (Hardcore-)Sex besteht und wenigen Spielszenen. Als Film ist das eher ermüdend, aber die Sex-Szenen sind schön.

BOXEN

Million Dollar Baby - Clint Eastwood-Filme werden von Warner Homer Video meist in eher karger Ausstattung als DVD veröffentlicht. Weil aber Eastwoods Haus-Firma Warner den Film ablehnte (das Gelächter darüber wird noch in Jahrzehnten durch den Film-Olymp schallen) bringt Kinowelt/Arthaus die DVD heraus, und das in guter Ausstattung als Doppel-DVD mit Szenen vom Dreh, der Enstehungsgeschichte von Buch und Film, einem langen Eastwood-Portrait und einem Interview, in dem Eastwood, nach den Gründen befragt, warum er diesen Film gedreht hat (der 4 Oscars erhielt), verschmitzt grinsend antwortet: "Ach Gott, das Analytische liegt mir nicht so, ich mach halt was ich mag."

DOKU

Backyard - die Anfänge sah man schon beim Jackass-Boom vor ein paar Jahren: Kids knüppeln in den Hinterhöfen spaßhaft aufeinander ein, bis das Blut kommt. Wohl weil sie sonst nicht merken, dass sie überhaupt leben. Die Normalen stellen schon auf Kindesbeinen bloss Wrestling-Szenen aus dem TV nach, die härteren Halbstarken werfen sich, durchaus mit Unterstützung der Eltern, offensichtlich autoaggressiv gestört, abwechselnd in Stacheldraht-Gruben oder schlitzen sich, am Boden liegend, mit Rasierklingen die Stirn auf, damit die Show noch toller aussieht. Dazu begleitet die Doku einen, der es beinahe in die Profi-Liga schafft, und redet mit einem Wrestling-Star, der nicht einsehen mag, dass er ein schlechtes Beispiel gibt.

Gilaven - Gilaven heißt "Sing" auf Rom, "Gilaven" ist die Geschichte der Sängerin Ida Kelarova, halb Tschechin, halb Roma. Der deutsche Regisseur Stephan Settele begleitete sie ein Jahr lang auf Tour und lässt sie einfach erzählen und singen. Da geht es um die Energie auf der Bühne und das Phlegma, das viele Zigeuner in der modernen Welt erfasste. Da geht es um die befreiende Wiederentdeckung der Identität, aber auch um Belastungen der Tradition, die im Hochhäuser umgesiedelte Roma ihre Pferde in den 9. Stock mitnehmen läßt. Und es geht um Kelarovas Musik, einen brodelnden osteuropäischen Folk-Rock ohne Klischees.

JOHN WAYNE

Rio Lobo - im dritten Teil seiner Western-Trilogie (mit Rio Bravo und El Dorado) ist Howard Hawks an der Geschichte gar nicht mehr interessiert, hier werden nur Freundschaft und Hilfsbereitschaft gefeiert, Yanks und Rebs, Jung und Alt, Männer und Frauen tun sich mit großer Lässigkeit zusammen, um die Bösen aus der Stadt zu jagen. Nebenbei: hier erschießen die Frauen ihre Peiniger noch persönlich (vielleicht auch, weil Hawks´ bevorzugter Drehbuchautor Leigh Brackett eine Frau war). In dieser "Widescreen Collection" gibt's zwar keine Extras, aber immerhin ein gutes Breitwandbild und den Original-Ton, aufbereitet für Dolby 5.1

Big Jake - Westernkomödie, an der die halbe Wayne-Sippe beteiligt war (Michael, Patrick und John Ethan) und Handwerker George Sherman den Regisseur machen durfte. Anfang der 70er versuchten die Edel-Western durch Brutalität verlorenes Terrain wieder gutzumachen. Doch obwohl Harvey und R.M. Fink das Drehbuch schrieben, war es nur der x-te Rache- und Familienwestern, das modernste darin war ein Motorrad. In der Widescreen-Edition ist der Film im 5.1-Ton auf englisch zu hören, deutsch nur in Mono, dafür ist das Bild vollständig.

HORROR

Takien - nach Japan, China und Korea kommen jetzt die Thais mit Grusel, Geistern und billigen CGI-Movies. Aber ohne Martial Arts. Die Prügeleien in Takien sind anfängerhaft, die Synchro ist ein Verbechen, die Dramaturgie asiatisch elliptisch bis unübersichtlich. Aber die Fantasie sprüht: hier kämpfen Holzfäller und Staudamm-Bauer erst gegen eine böse Waldfee, dann für ihre Wiedergeburt, dann gegeneinander, anscheinend. Auftakt einer ganzen Reihe mit Thai-Genre-Filmen. Keine Extras.

WÜSTE

Sweat - vier französische Gauner klauen einen Safe voller Gold und fahren ihn, Gott weiß warum, tagelang quer durch die marokkanische Wüste. Man brüllt sich an, man haut sich um, man pinkelt gemeinsam in den Tank wenn das Kühlwasser alle ist. Trotzdem sind am Ende möglicherweise alle tot, aber da hat sich die Melange aus Lohn der Angst und Flug des Phönix schon zum unerklärlichen Delirium verunklart. Da hilft auch eine Extra-DVD voller Dokus und Outtakes nicht mehr viel. Sieht alles toll aus, aber was soll es?

STRANGE

The Singing Detective - war in den 80ern eine 415minütige geniale britische Miniserie (mit der Regisseur Jon Amiel berühmt wurde), ist jetzt ein 106 Minuten langer Ami-Film, entsprechend gelackt, geglättet, sexualisiert und albern. Robert Downey spielt sich als hautkranker, grimmiger Krimiautor einen Wolf (und ist völlig fehlbesetzt, schon weil er viel zu schön ist), Mel Gibson als sein Psychiater ist eine Show und sein Geld wert. Wer die Serie nicht kannte, war von dem Film angetan, wer das Original kennt, ist bestenfalls peinlich berührt. Zudem ist der Film schwach synchronisiert, die DVD bietet zwar auch die amerikanische Fassung, allerdings ohne Untertitel. Als Extras gibt's ein paar Interviews und eine B-Rolle.

INDEPENDENT

Night Wash - verkorkster Künstler lernt im Waschsalon eine mörderische und miniberockte Blondine kennen, die mit Wumme und Kleinkind sich einer Menge Bösewichter zu erwehren hat. Das kleine Filmchen hat seine Momente und seinen Witz, aber im entscheidenen Augenblick vermurkst die Regie die Pointe oder kann kein Ende finden. Irgendwo zwischen Pulp Fiction und Arizona Junior hat das durchaus seine Berechtigung, vor allem als Fingerübung.

MUSIK

Er hat den Reggae erfunden und Bob Marley die Musik erst beigebracht, sagen Peter Toshs Anhänger noch heute. Er hat aus Konzerten Missionsveranstaltungen für Rastafari und Marihuana gemacht, nörgeln die anderen. Jetzt kommt Nicholas Campbells Tosh-Doku Steppin Razor von 1992 erstmals teilweise deutsch untertitelt neu ins Kino und gleich danach ohne weitere Extras auf DVD heraus. Schade eigentlich, denn was im Regie-Debüt des Jamaikanes Campbell noch über die "betroffene Energie" wirkte (1987 wurde Tosh unter unklaren Umständen erschossen), braucht heute mehr Erläuterung. War Tosh der jamaikanische Malcolm X? Und Marley sein Luther King? Predigte er den bewaffneten Kampf gegen Ungerechtigkeit, nur weil aus seiner Gitarre ein MG-Magazin ragte? Startete er die "Legalize it"-Kampagne aus religiösen oder politischen Gründen? Vielleicht hätte man die vielen Songs auch untertiteln sollen? Die gesprochenen Tosh-Original-Töne aus seiner Cassetten-Autobiographie "Red X", um die herum Campbell seine Zeitzeugen-Befragungen baute, helfen auch nicht beim Verständnis. Man merkt schon, dass es hier um einen Nationalheiligen geht, was aber das laufende Rasiermesser eigentlich wollte (außer free weed und keinen Rassismus) kommt nicht rüber.