Kurztipps November 2006

CHINA

Wu Ji - wunderbare Bilder, todtraurige Verstrickungen und ein völlig leerer Overkill an Martial Arts und CGI-Effekten. Im alten China, als die Götter noch auf der Erde wandelten, belügen zwei Männer eine Frau aus Liebe, die ihrerseits auf Liebe verzichtete, um ein glückliches Leben zu führen. Alles geht natürlich schief, vielleicht weil Regisseur Cheng Kaie (Leb wohl meine Konkubine) für den europäischen Markt 20 Minuten kürzte. Das kann man sich aus den Extras zusammenreimen.

ANIMATION

animago 2006 - einmal im Jahr vergibt das Fachblatt Digital Production Preise für Animationsarbeiten von TV-Spot bis Home-Movie. Hier sind die 168 Preisträger und Platzierten aller Sparten: Pin-Ups, unter der Schulbank gemalt; Musikvideos, auf dem Handy gerendert; aber auch klassische Zeichentrick-Kurzfilme, denen man keinen Computer ansieht. Oder das große F/X-Making Of zu Die Sturmflut und eine Vorschau auf kommende Disneys. Eine DVD widmet sich den Amateuren, eine den Profis.

SEQUELS

Mission: Impossible 3 - der beste der 3 Filme, schnell, direkt, spannend. Auf der 2 Disk-Edition wird natürlich nichts von den Start-Schwierigkeiten erzählt (2 Regisseure warfen das Handtuch), aber vieles vom Dreh und wie schwer es ist, Tom Cruise von gefährlichen Stunts abzuhalten. Der hält hier die Knochen auf atemberaubende Art und Weise hin, dass man meint, er wolle der Jackie Chan des US-Actionkinos werden.

WAR ON TERROR

Junta - die "Verschwundenen" der argentinischen Militärdiktatur wurden in privaten Foltergefängnissen gequält und ermordet (zu einer Zeit, nebenbei, als der Chef des DFB keine Probleme hatte, dem Chef-Mörder der Junta die Hand zu schütteln). Marco Becchi, selbst ein Opfer der Militärs, machte daraus einen erschütternden, absolut hoffnungslosen Film über das Schicksals einer 18jährigen Lehrerin. Die DVD enthält ein gutes Booklet und einige Kurz-Dokus, die zeigen, wie schrecklich nah der Film an der damaligen Wirklichkeit ist. Und ein Professor für Recht erklärt: gegen "Terroristen" (wie das Militär seine Opfer nannte) kann man keinen Krieg führen, man darf sie bestenfalls verurteilen und einsperren. Aber man darf sie nicht foltern oder gar töten.

JÄGER

Paparazzi - dass der von Mel Gibson produzierte und von allen Beteiligten lustvoll überzeichnete Anti-Paparazzi-Film die Knipser-Zunft schlecht wegkommen lässt, hat nur unseren damaligen Filmkritiker schwer erregt. Der war nach eigenen Angaben selbst mal Paparazzi in L.A. und fühlte sich und seinesgleichen ungerecht behandelt: "Niemand hat damals Fotos von der sterben Lady Di gemacht!", sagte er am Telefon unserem Filmchef und meinte damit eine Szene im Film, die deutlich Bezug nimmt auf den Do-Di-Unfall in Paris; eine Woche danach tauchten erstmals Fotos der sterbenden Ex-Prinzessin auf. Der Rest der Welt fand den Film einfach nur doof, was er auch ist. Die DVD enthält eine Featurette und eine 10minütige B-Rolle.

TV-DOKUS

Expeditionen ins Tierreich - seit 1965 sendet die ARD unter diesem Reihen-Titel allerlei Naturfilme. Eine erste Auswahl von sechs Titel bringt das Studio Hamburg nun auf DVD heraus. Meist geht es in die Wildnis, zu amerikanischen Grizzlys, nach Alaska oder Norwegen, aber manchmal auch zum Karneval in Rio, wo Samba-Kostüme auf richtige Schmetterlinge treffen oder einfach auf die Wiese hinterm Haus. Nett.

Reporter unterwegs - Gerd Ruge und Fritz Pleitgen haben sich eine Fernsehnamen gemacht mit ihren gemächlichen Reiseberichten . Dreimal ist Gerd Ruge nun auf Studio Hamburg-DVDs unterwegs, im südlichen Afrika, in Sibirien, und rund um den Balkan. Fritz Pleitgen reist auf zwei DVDs durch den Kaukasus und am stillen Bug entlang durch Polen, Weißrussland und die Ukraine. Das plätschert so dahin.

Rendezvous mit dem Tod behauptet, eine "ganz neue Spur" im Kennedy-Verschwörungssumpf aufgetan zu haben, nämlich dass Fidel Castro JFK ermorden ließ. Das ist einerseits keine neue Spur, sondern kalter Kaffee, andererseits hat Autor Wilfried Huismann nach 2 Jahren Recherche eigentlich nicht mal die Spur einer Ahnung eines Beweises. Im Januar 06 strahlte die ARD das aus - und niemand hat darauf reagiert (außer Fidel Castro, der den Film als CIA-Auftragsarbeit sah). Weil jetzt das Buch zum Feature erscheint, gibt's das ganze Elend noch mal als DVD, mit Zusatzinterviews, die noch alberner sind als der Rest dieser hochgradig unseriösen Dokumentation.

KABARETT

Ich bin's Nuhr - unter diesem etwas einfältigen Titel zieht der Comedian Dieter Nuhr seit Jahren durchs Land, die DVD enthält den Live-Auftritt im Mai 2006 in Düsseldorf. Das ist, wie immer bei Nuhr, von sanfter Bosheit getragen, wird niemals laut und hektisch, und wahrscheinlich ist Nuhr weltweit der einzige Komiker, der noch ein Mikrophon in der Hand hält, was ihn davon entbindet, körperlich was zu bieten. Als Zugabe gibt's ein paar Zugaben sowie ein etwas peinliches "Hinter den Kulissen". Und, selten geworden: ein schönes Booklet.

HELDEN

X-Men: The Last Stand - der düsterste Teil, und das nicht nur, weil haufenweise Stammpersonal dahinscheiden muss. Dafür scheint das Spektakel mit Brett Ratner einen hyperaktiven, fröhlichen Regisseur zugeteilt bekommen zu haben, der wenig neu, aber vieles richtig macht. Das sieht man auf einer 2. DVD, auf der es vor Dokumentationen nur so wimmelt, Geschichte, Technik, Comicvorlagen, Botschaft: alles wird ausführlich dargestellt. Allerdings ist es schade, dass das "Produktionsnotizbuch" des Regisseurs durchgehend mit einem verzerrten Ton daherkommt.

Tokyo Fist - Regisseur, Hauptdarsteller, Produzent und Co-Autor Shinya Tsukamoto erzählt die Geschichte zweier Boxer, die sich um die gleiche Frau prügeln. Das ist sowohl sehr körperlich gemeint (weshalb der Film bei uns auch 11 Jahre nach seiner Entstehung keine Jugendfreigabe erhielt) als auch allegorisch. Mit Wackelbildern, Reiss-Schwenks und traurigen Einstellungen von einsamen Menschen ist das eine Mischung, wie sie nur in Japan entstehen konnte. Die DVD enthält ein Musikvideo und den deutschen & japanischen Ton.

GESCHICHTE

Der Mythos - typisches Jackie Chan-Spätwerk, überladen, mit CGI-Effekten und einem Rest des jungenhaften Charmes Chans. Der offenbart sich vor allem in den vielen Special Features, die auf einer zweiten DVD mitgeliefert werden. Etwa wenn Chan beinahe selbstverloren am Set persönlich den Staubsauger bedient, um den Boden für eine Action-Szene vorzubereiten. Der Film selbst - Archäologe der Gegenwart träumt sich Abenteuer als antiker General - ist pathetisch, witzlos und schwer bei Indiana Jones abgeguckt.

Der Rote Kakadu - im Feature der "Verlorene Szenen" erklärt Dominik Graf, was für ein Film das werden sollte. Manche logischen und atmosphärischen Brüche erklären sich tatsächlich durch Kürzungen. Das Werk selbst über Jugendkultur und die letzten Tage der unvermauerten DDR ist seltsam behäbig und hat keinen Mittelpunkt; schon gar nicht den "Roten Kakadu", das Tanzlokal, um das sich alles dreht.

BRITISCH

Haunted - Haus der Geister - konventionelle James Herbert-Verfilmung von 1995, in der Aidan Quinn als rationalistischer Professor im England der 20er Jahre gegen Spiritismus und Geister ankämpft und in der eine immer wieder nackige und sehr fröhlichen Kate Beckinsale durchs Bild läuft.

ARZT KOMMT GLEICH

Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte - ein Versuch, ER, Ally McBeal und Sex and the City zusammenzubringen. Der realistisch-zynische Teil über "Ärzte im Praktikum" (im Deutschen fälschlich als "Praktikanten" übersetzt) ist flott und leidlich originell, das gegenseitig an die Geschlechtsteile fassen ist eher konventionell. Unter Teenies vor allem wegen der knackigen Hauptdarsteller beliebt, ist das nichts weiter als eine weitere gutgemachte Krankenhausserie. Die erste Staffel ist jetzt mit einigen "Deleted Scenes" und einem kleinen Feature über die Macher auf 2 DVD erschienen.

NAZIS

Ghetto - der Bühnen-Skandal der 80er als maues Filmchen. Zur aufregenden Rezeptionsgeschichte und der sehr späten Entstehung der Verfilmung wird nichts gesagt, als Extra gibt es ein Interview mit einer Überlebenden des Wilnaer Gettos.

MORAL

Matchpoint - verhält sich zu Verbrechen und andere Kleinigkeiten wie Rio Lobo zu Rio Bravo. In seinem ersten für die BBC produzierten Film zeigt Woody Allen, dass niemand so erfrischend pessimistisch sein kann wie er. Ein Mann, der seine Frau betrügt, betrügt auch seine Geliebte. Und kommt sogar mit einem Mord davon (wenn das Opfer so schön ist wie Scarlett Johansson ist das besonders gemein) - wenn er Glück hat. Wie jede Allen-CD glänzt auch diese durch Abwesenheit aller Extras.