Kurztipps Januar 2007

KUNST

Der wilde Schlag meines Herzens - ziemlich geniales französisches Remake von "Fingers": Romain Duris als halbkrimineller Immobilienmakler entdeckt seine Liebe zum Klavier wieder. Jacques Audiard machte daraus einen Film über das Phänomen, wie man durch Bach zum guten Menschen wird. Die stilistische Härte der Inszenierung und die aggressive Nervosität Romain Duris' verhindern dabei jedes Kitschaufkommen. Auf der DVD gibt es, neben kleineren Gimmicks, ein ausführliches Interview mit dem Regisseur.

Edition Jacques Rivette - Im Kino des Jacques Rivette dreht sich alles um Kunst und Leben und wie beide sich gegenseitig auf den Füßen stehen. Das ergibt meistens schwierige Filme, in denen nicht mal die Schauspieler wissen, wohin der Meister sie schicken wird. Nur einmal hat Rivette aus dieser Konstellation ein Meisterwerk destillieren können: Die schöne Querulantin (Bild), ein niemals ermüdender 230minütiger Film über einen Maler und sein meist nacktes Modell, die gemeinsam darum ringen, der Wirklichkeit etwas abzuringen das bedeutender ist als sie selbst. Das Drehbuch, das südfranzösische Licht, der genial brummelige Michel Piccoli und eine energische junge Schauspielerin namens Emmanuelle Beart, die vollkommen unbefangen nackt durch den Film bewegte haben Die schöne Querulantin zu einem der schönsten Filme über Kunst werden lassen, ein sinnliches Meisterwerk, das sich nur um eine Theorie dreht. Zusammen mit Die Viererbande und dem enorm ermüdenden Die Geschichte von Marie & Julien (wieder mit der Beart, 12 Jahre später) ist das alles in der Box Edition Jacques Rivette erschienen, ergänzt um ein dickes Booklet und schön gestylt. Allein Die schöne Querulantin ist dabei auf 3 DVD verteilt: auf zwei Scheiben in der 230minütgien Fassung, auf der dritten in der fürs Kino gekürzten eigenständigen "Divertimento"-Version. (6 DVD im Schuber)

LACHEN

Mord im Pfarrhaus - Rowan Atkinson kriegt als englischer Dorfpfarrer gar nicht mit, wie seine Familie zerbricht, die Frau (Kristin Scott Thomas) sich einen Liebhaber nimmt (Patrick Swayze) und die Tochter gleich ein Dutzend. Bis Maggie Smith kommt und als mörderische Haushälterin alles ins Lot bringt. Langsam, britisch,. komisch, gut.

SCHRECKEN

Uncertain Guest - spanischer Horror über den Mann, der sein Haus mit seiner Seele verwechselt. Oder so. Seit ihn seine Frau verließ, knarzt und knackt es jedenfalls ganz schröcklich auf den 500 Quadratmetern Wohnfläche. Eher als Konzept interessant als wirklich erschreckend. Auch das Making of als einziges Extra kann nicht wirklich erklären, warum dieser Film gedreht werden musste.

Hostel - netter B-Film von dem Mann, der Cabin Fever gedreht hat und daraufhin von Tarantino zum Genie erklärt wurde. Der hat dann auch den Nachfolger produziert - 3 US-Boys wollen in Osteuropa vögeln, werden aber als Folteropfer an die Einheimischen verscherbelt, die immer schon mal einen Ami mit ner Black & Decker begrüßen wollten - der nichts falsch macht aber auch längst nicht der Horror-Schocker ist, als der er angepriesen wurde. Das erfährt man in insgesamt 4 (!) Audiokommentaren, die Regisseur Eli Roth (rechts im Bild) mit wechselnden Partnern eingesprochen hat. Dazu gibt's ein witziges und erhellendes "Making of": bei den widerlichsten Szenen wurde das Film-Team ruhiggestellt, in dem ein dreiköpfiges Kammerorchester Mozart live in die Katakomben des Schreckens säuselte.

LIEBE

The Man who copied - "Es geht nicht um die schönen Dinge, die man mit Geld kaufen kann, sondern darum, dass du anders behandelt wirst, wenn du schöne Dinge kaufen kannst" sagt André, der schüchterne Comiczeichner und Bediener eines Fotokopierers in Brasilien. André ist verliebt in Silvia und braucht deshalb Geld. Wie er daran kommt, warum Silvia seine Rettung ist und wie man Komödie und Tragödie wunderbar leichtfüßig zusammenbringen kann, ist in diesem B-Film von Jorge Furtado zu besichtigen, ein Werk, das erst scheinbar zufällig dahinplätschert und dann ungeheuer raffiniert und weise eine ganz andere Richtung einschlägt - ein "feel good"-movie mit poetisch-melancholischen Untertönen. Und zwei Liebespaaren, wie man sie selten sieht.

Ask The Dust - ein schöner schlechter Film: Robert Towne (der Drehbuchautor von Chinatown) verfilmt sein eigenes Drehbuch eines John Fante-Romanes. Weil Towne ein eitler Geck und lausiger Regisseur ist, gerät das Depressionsdrama um den Italiener Arturo Bandini zur Kitschkaskade ohne Punkt und Komma. Aber weil Colin Farrell, Salma Hayek und Donald Sutherland darin auftauchen und weil man Fantes Witz nie ganz rauskriegt, hat der Film Momente, die wunderbar anrühren. Genau wie die Romane John Fantes, ein Bukowski mit Geschmack und Witz, der leider vollkommen vergessen ist.

SERIEN

The Prisoner - die britische Mystery-Serie, die 1967 nach nur 17 Folgen schon wieder vom Bildschirm verschwand, gilt Fans seitdem als innovativste, progressivste und außergewöhnlichste Serie der Welt. Heute sieht man überall sofort die Bettvorleger, wo Tiger gemeint waren. Patrick McGoohan war mit einem humorlosen Bond-Verschnitt Danger Man Anfang der 60er zum bestbezahlten TV-Star Englands aufgestiegen, hatte aber nach vier Staffel keine Lust mehr. Er erfand lieber eine absurde Quasi-Fortsetzung: ein Geheimagent quittiert den Dienst und erwacht in einem seltsamen Dorf, in dem alle Einwohner nur Nummern haben und aus dem es kein Entkommen gibt. Das Dorf scheint vom Verhörlager zu einer Art Orwell-Allegorie auf die ganze Welt zu werden, und Ende kommt raus, die Nummer 1 hinter allem ist: äh - McGoohan glaubt noch heute, er habe damals wegen dieses Schlusses das Land verlassen müssen. Dabei wäre die Serie schon Grund genug. Sie war zwar teurer als etwa The Avengers oder Department S, aber ihre Plots waren nicht mysteriöser als deren Stories. Nur eigensinniger. McGoohan kontrollierte alles, feuerte reihenweise Regisseure, und verweigerte ordentliche Auflösungen. Dafür mussten seine Hilfskräfte ständig improvisieren und etwa einen bedrohlichen automatischen Wächter zur Verfolgung Flüchtender durch einen schwabbeligen Luftballon darstellen, weil der Requisiten-Roboter schon am ersten Tag kaputt ging. Die DVD-Box ist vorzüglich ausgestattet: neben den 17 Serien-Folgen (incl. 4 nie hier ausgestrahlte) gibt es ein ausführliches Booklet und eine Bonus-DVD. Die enthält alternative Versionen, einen schrägen Beitrag über einen Memorabilien-Sammler und ein lustiges Interview mit dem Produktions-Designer. (6 DVD; von Danger Man erschien gerade die 2. Box mit 4 DVD).

Star Trek: Klingonen Fan Collective - auf 4 Scheiben durften laut Verleih "Fans" ihre Lieblingsfolgen zusammenstellen, in denen es um die Jungs und Mädels mit dem Schildkrötenpanzer vorm Kopp geht. Dabei - natürlich! - die legendären "Tribbels" inklusive dem Revisiting durch DS9, Das Schwert der Kriegers als eine der besten DS9-Zweiteiler, der Pilot der alten Enterprise: konventionelles Zeugs halt das herauskommt, wenn man "Fans" fragt. Das ergänzende Material - einige Textkommentare der unvermeidlichen Okudas, ein Audiokommentar von Rick Berman und Brannon Braga - stammt aus den Originalveröffentlichungen. (4 DVD)

Venus & Apoll - die erste für ARTE entwickelte TV-Serie, und so sieht sie auch aus: trés französisch, trés feminine - und trés langweilig. Erdacht von Tonie Marshall (die einfach die Idee ihres Erfolgsfilmes Schöne Venus von ´99 ausbaute), sehen wir eine Mischung aus Marienhof und Sex and the City: Vier Damen arbeiten in einem Schönheitssalon ihre Probleme ab, und die haben nur mit Männer und Liebe zu tun. Wenn die Drehbücher nicht so bieder und der Drehort nicht so langweilig wären, würd's sogar Spaß machen (vor allem im Original, die Synchronisation ist schauderhaft). So aber sind die 25minütigen Folgen bestenfalls amüsant und nichts, was man sich freiwillig 2mal ansehen würde. Die DVD-Box der ersten Staffel enthält nur Textmenüs, in denen das gleiche steht wie in dem nett gemachten Booklet. (5 DVD im Schuber)

Oliver Kalkofes Mattscheibe: Premiere Classics 2 - dem bewährten Prinzip, sich selbst per Bluescreen in den Mitschnitt einzublenden, bleibt Kalkofe treu. Allerdings werden seine Verkleidungen, etwa als Quotenschwuchtel Ralph Morgenstern, immer besser und seine grellen Sakkos immer seltener. Auf vier DVDs sind die 33 Sendungen der zweiten Staffel von September 95 bis Juni 96 zu sehen. Aufschlussreich sind die Akzentverschiebungen bei den Privatsendern. Wo sich damals Kandidaten bei der Hypno-Show quälten, stehen heute das Dschungel-Camp oder Die Burg bereit. Damals wie heute zuverlässige Trash-Lieferanten sind die schlecht synchronisierten Verkaufs-Shows aus den USA. Leider zehren längst auch Unsympathen wie Stefan Raab und Oliver Pocher von ihnen. Die beiden sind auch ein Beweis dafür, dass es eben nicht ausreicht, einfach nur peinliche TV-Szenen zu zeigen. Man muss sie wie Kalkofe auch deuten und polemisch auseinander nehmen können. Eine Dreistigkeit in eigener Sache hat sich der TV-Terminator allerdings beim Bonusmaterial geleistet. Es besteht aus zwei thematisch geordneten Best-ofs der hier versammelten Folgen. So bekommt man vier DVDs auch voll. (4 DVD)