Kurztipps Mai 2007

KUCHEN

Marie Antoinette - Sofia Coppola erzählt ein opulentes Märchen über die Einsamkeit eines österreichischen Mädchens am französischen Hof. Die pastell-bunte Mischung aus Teenagertraum und Historiengemälde, hektisch geschnitten und mit Popmusik unterlegt, stirbt an genau dem leeren Aufwand, das es zeigt. Das Making Of ist interessanter als der Film. Ein Extra ist lustig: König Louis 16. führt überdreht wie ein MTV-Star durch sein Schloß; cool man.

Adams Äpfel - Der dänische Neonazi Adam (Ulrich Thomsen) wird zu Sozialstunden bei Landpfarrer Ivan verurteilt (Mads Mikkelsen). Der kümmert sich innig um einen Haufen scheinbar verrückter Säufer und Diebe, ohne je zu bemerken, dass all seine Liebe nichts fruchtet. Adam will Ivan die Wahrheit über die rettungslose Welt einprügeln, Ivan will, dass Adam einen Apfelkuchen backt. Deshalb muss Adam den Apfelbaum vor Krähen schützen, den Backofen reparieren und die Geschichte von Hiob lesen. Mit Making Of, Deleted Scenes, Hiob-Info und einem Apfelkuchenrezept.

GAUNER

Lucky # Slevin - trotz Spitzenbesetzung - Josh Hartnett, Morgan Freeman, Bruce Willis, Ben Kingsley, Stanley Tucci - schaffte es der Krimi nicht ins Kino, Verleiher Constantin bringt jetzt immerhin eine saubere DVD-Fassung heraus. Es geht um eine letztlich tumbe Rachegeschichte, die brutal beginnt und brutal endet. Dazwischen ist viel Leerlauf und ein irgendwie in den Häcksler geratenes Drehbuch, das Einfaches zwar kompliziert erzählt, wichtige Szenen dabei ebenso vergisst wie eine auch nur leise Psychologisierung der Figuren. Alle sieht aus wie eine stilistisch präzise Comic-Verfilmung. Die DVD enthält ein paar - zu Recht - geschnittene Szenen, ein besseres, alternatives Ende, und ein paar Produktionsnotizen. Wirklich lohnend ist "Lucky No Slevin" wegen einer wunderbar kreglen Lucy Liu als hippiieske Pathologin mit Spürsinn, Witz und viel Erotik.

TRASH

The Crossing - Rollstuhlfahrer will seiner Frau auch mal was gönnen und schickt ihr einen Kerl ins Bett. Das gibt mehr Ärger als erwartet. Aus einer netten Kurzfilm-Idee machte der Norweger Martin Asphaug leider einen Feature-Film. Das funktioniert über weite Strecken nicht. Keine Extras.

BLUTIG

In my skin - junge Frau entdeckt den Spaß, sich selbst Wunden zuzufügen. Marine De Van drehte als Hauptdarstellerin und Regisseurin einen äußerst verstörenden Film, der mehr von der Idee als einer überzeugende Umsetzung lebt. Keine Extras.

KRAWUMM

Deja Vu - am Anfang des Films gibt´s lange keinen Dialog, Menschenmengen drängen, Kinder lachen, Matrosen winken ... dann fällt eine Puppe ins Wasser, und mit viel Getöse fliegt eine vollbesetzte Fähre in die Luft. Tony Scott kann packende Bilder machen, ohne Zweifel. Leider opfert er denen immer wieder Logik und Inhalt. Hier soll Denzel Washington den Bombenanschlag aufklären, gerät an geheime Ermittler, die mit Überwachungskameras vier Tage in die Vergangenheit gucken können, und reist sogar, weil er nicht nur den Täter schnappen will, sondern sich in ein Opfer verliebt hat, selbst in die Vergangenheit. Ausführliche Extras enthält nur die Blue Ray-DVD, die Normalausgabe bescheidet sich mit einer Deleted Scene.

AFRIKA

Catch a Fire - Philip Noyce geht nach Südafrika, tief in die Apartheid-Zeit. Tim Robbins ist dort Nic Vos, ein ruhiger, manierlicher weißer Sicherheits-Beamter, der Schwarze bestimmt nur foltert, wenn es Terroristen sind. Patrick Chamusso (Derek Luke) ist schwarz und ein völlig unpolitischer Arbeiter in einer Ölraffinerie. Weil er sich einen arbeitsfreien Tag erschwindelt und nicht sagen will, wo er war, wird der Staatsapparat aufmerksam. Der besorgte weiße Familienvater foltert den unbesonnen Schwarzen, foltert dessen Frau, geht beim Ermitteln rücksichtslos über Leichen - und Patrick Chamusso geht in den Untergrund, um Terrorist zu werden. Am Ende wird alles gut, auch wenn Thriller, Politik und Romanze nicht ganz zueinander finden.

KARAOKE

Das Leben ist ein Chanson - Umwerfend: Alain Resnais, der große alte Mann der französischen Novelle Vague, arrangierte mit 75 einen unbekümmertes Liebesreigen, in dem die Schauspieler immer wieder von normalen Dialog in klassische Chanson-Phrasen wechseln, manchmal nur für ein Wort übernehmen Gilbert Becaud, Alain Delon, Serge Gainsbourg, Edith Piaf oder France Gall - inklusive Schallplatten-Knistern - die Aussage. Gleich im ersten Bild singt etwa der Nazi-General, den Hitler am Telefon anbrüllt, er solle endlich Paris zerstören, plötzlich als Josephine Baker "ich habe zwei Lieben, meine Heimat und Paris". Auf Französisch natürlich. Das funktionierte im deutschen Kino nicht richtig, aber auf DVD sind die zuschaltbaren Untertitel eine große Hilfe. Außerdem kann man jedes Song-Zitat einzeln anspringen, kriegt eine Featurerette dazu und für den PC auch noch das Original-Presseheft.

DEUTSCH

Roula - 12 Jahre dauerte es, bis dieses deutsche Psycho-Drama auf DVD erschien. Ein Kinderbuchautor mit 12jähriger Tochter und jüngst verstorbener Frau macht Urlaub in Dänemark. Dort verguckt er sich in Roula (Anica Dobra), die daran leidet, als Kind mißbraucht worden zu sein. Das geht natürlich nicht gut aus, aber es sieht, mit wenig Dialog und meistens einfallsreichen Bildern, gut aus.

SCHLAF

Sleepwalker - Ein kleiner, ruhiger Nervenzerfetzer aus Norwegen. Ein ganz normaler Bürger mit Schlafstörungen wacht nach Rotwein mit Schlaftabletten im blutverschmierten Bett auf. Frau und Kind sind weg. Hat er was damit zu tun? Er bindet sich eine Videokamera an den Leib, kontrolliert sich beim Schlafwandeln und stolpert über immer mehr Geheimnisse. Wer hat hier wen umgebracht? Ist überhaupt jemand tot? Oder ist er es? Das Lang-Debüt des preisgekrönten Kurzfilmer Johannes Runborg verbindet eine Menge Ideen aus der Traum-und-Wirklichkeit-Trickkiste zu einem nur etwas holprigen Verwirrspiel. Das amerikanische Remake ist schon in Planung. Als Extra gibt es Textinfos über Somnambulismus.

GUTMENSCHEN

Grey Owl - Pierce Brosnan spielt Winnetou unter Richard Attenborough. Ein edler Weißer wird 1936 ein kanadischer Indianer, um die Natur vor den zivilisatorischen Übergriffen fieser Trapper zu retten, wie er selber früher einer war. Hach, die Liebe einer Indianerin und ein paar kleine Biberchen haben ihn gerettet. Die Geschichte ist zwar im Kern wahr, aber der Film ist bloß Kitsch.

A good Man in Africa - Sean Connery spielt nur eine Nebenrolle, macht aber die beste Figur in dieser etwas bemühten Satire über koloniale Verwicklungen. Ein blasser Botschaftsangestellter will eigentlich nur nach Hause, tappt aber in allerlei Fallen. Helf' ich den armen Eingeborenen bei unchristlichen Ritualen? Helf' ich den reichen Eingeborenen, noch reicher zu werden?. Helf ich dem miesepetrigen Arzt (Connery) beim Balanceakt zwischen den Fronten. Oder grab ich die Frau des Botschafters an?

Eine unbequeme Wahrheit - "Ich war der zukünftige Präsident" sagt Al Gore gern bei öffentlichen Auftritten und hat damit die Lacher gleich auf seiner Seite. Dann verdirbt er ihnen die Stimmung mit einem gut recherchierten und geschickt inszenierten Dia-Vortrag über die Gefahren der globalen Erwärmung. Der Dokumentarfilm zeigt, wie Al Gore mit diesem Vortrag um die Welt tingelt, tief besorgt und zugleich hoffnungsvoll. Sehr amerikanisch macht er die gute Sache zu einer persönlichen Angelegenheit. Gores Vater gab seine Tabakplantage auf, als ein Kind an Lungenkrebs starb, Gore gibt die Glühbirne auf und packt die DVD in Recycling-Karton.

MÄNNER

Casino Royale - Daniel Craig als James Bond. Das macht er ziemlich beeindruckend, sowohl bei der sehr physischen Action (viel Laufen und Hauen und Halsumdrehen), als auch beim zerdeppert Herumsitzen und Herzeleidschieben. Der blonde Bond mit stahlblauen Augen geht als psychologische Figur allerdings in der unübersichtlichen Handlung verloren. Die Bonus DVD enthält nur lobhudelnde Nebenbei-Infos und erstmals in der Bond-Geschichte gibt es im Doppelpack keine Audio-Kommentare zum Film. Da kommt wohl noch eine Edition nach.

Spider-Man 2.1. - Tobey Maguire ist der erfolgreichste Hänfling der Superheldfilmwelt. Rechtzeitig zum Kino-Start von Spider-Man 3 (siehe Seite 10) gibt's nun eine um 8 Minuten verlängerte Fassung des zweiten Teils auf 2 DVDs. Da alle Extras neu sind, hat man jetzt nur 122 Minuten Hauptfilm doppelt.

FRAUEN

8 1/2 Frauen - Peter Greenaway macht mal wieder ein schwer verdauliches Fass auf, voller gängiger Männerfantasien und Frauenbilder und Filmanspielungen. Vater und Sohn richten sich ein Privat-Bordell ein und stopfen 8 1/2 "typische" Frauen hinein, um sich mit ihnen zu vergnügen. Eine Nonne, eine Buchhalterin, eine Magd, eine Hure mit Herz ... und eine Frau ohne Beine. Greenaway montiert wieder strenge Bilder ohne Schwenks aneinander, blendet Drehbuchseiten über die Filmszenen, türmt Allegorien aufeinander (eine nackte Frau wäscht ein fettes Schwein) ... Kunst wo man hinguckt, und leider in garstiger Bildqualität.

IRRE

Da Ali G Show - Borat Edition - 6 Folgen der genialen Comedy-Show von Sacha Baron Cohen, der als Ali G und Borat zwei Kunstfiguren für die Ewigkeit geschaffen hat. Als Hilfsrapper Ali G befragt er den Clinton-Jäger Newt Gingrich, was die Republikaner von Anal-Sex halten, als Kasache in den USA sucht er eine Frau, die auch mal eine Stunde lang den Pflug halten kann. Die "Borat"-Edition wirbt damit, synchronisierte Folgen zu enthalten, aber das sollte man sich ersparen. Ohne das geniale Rudimentär-Englisch von Ali G und Borat ist das alles gar nicht komisch. Auch Borat, den Kino-Film zur Figur, sollte man sich im Original ansehen, auf Deutsch wirkt das nur gequält. In den Extras erfahren wir, dass die Rodeo-Episode keinesfalls gefälscht war (das Lokalfernsehen berichtete am nächsten Tag über den Irren, der die US-Hymne verhunzt hatte) und sehen weitere Episoden, z.B. mit der Polizei oder im Tierheim. Wirklich zum Brüllen an all dem ist aber, dass der Jude Cohen für seinen "Borat"-Auftritt tatsächlich des Antisemitismus geziehen wurde. Das ist so komisch wie Borats Eintritt in eine christliche Fundi-Gemeinde oder sein Auftritt bei Jay Leno. Wer hier nicht lacht, hat die Welt nicht verstanden.