HANNS DIETER HÜSCH

Der freundliche Prediger

Eine DVD-Box mit sieben Programmen von Hanns Dieter Hüsch

In 50 Bühnenjahren hat er es auf 75 Programme gebracht. Weshalb jeder Hüsch-Fan zurecht sagen kann "Das Beste ist natürlich nicht dabei!" wenn er die Programme betrachtet, die der DVD-Verleiher Tacker Film auf seiner DVD-Box Hüsch. Sieben Kabarettprogramme aus drei Jahrzehnten verdienstvoller Weise präsentiert (mein Favorit fehlender Höhepunkte wäre übrigens "Ja, natürlich" aus den 70ern).
Dennoch ist diese Dreier-DVD hilfreich, wenn es darum geht, den Weg des niederrheinischen Kleinkünstlers, Literaten und Kabarettisten Hüsch nachzuvollziehen. Das erste präsente Programm Behagliche Kritik mit Unbehagen (1973) atmet noch einen Rest revolutionärer Unruhe, von der Hüsch sich nach 1968 erholen musste, nachdem er auf dem Songfestival auf der Burg Waldeck von linken Flegeln von der Bühne gepöbelt worden war; ein Schicksal, dass er mit Kollegen wie Reinhard Mey oder den Blödlern von Schobert & Black teilte.
Diese 52 Minuten "Unbehagen" sind auch ein schönes Beispiel verwirrter TV-Ästhetik der 70er: Der eifrig innovative Regisseur hat für diese Aufzeichnung im Studio das Publikum hinter den Künstler gesetzt, so dass der, will er nicht nur in die Kamera sprechen, sich ständig umdrehen muss, weil er sein Publikum im Kreuz hat.
Das neue Programm , neun Jahre später, enthält bereits den "Hagenbuch"-Hüsch, jene Mischung aus Absurdität und Melancholie, die fortan völlig singulär neben dem deutschen Kabarett stand, keine Mode mehr mitmachte und doch ein immer größeres Publikum fand. Und sie bewegt mich doch von 1986 ist leider nur mit 58 Programm-Minuten vertreten. Es war das letzte Programm, das Hüsch in Mainz geschrieben hatte, wo er 40 Jahre gelebt hatte, bevor er nach Köln zog. Als seine Frau 1985 nach langer Krankheit starb, wollte er in Mainz nicht mehr sein.
Die zweite DVD enthält Am Niederrhein (1987) mit 57 Minuten und 40 Jahre unterwegs (1988) mit 44 Minuten, das eine repräsentiert Hüschs Hinwendung zur Regional- und Dialektkomik - ein Trend, von dem sich das deutsche Kabarett nie wieder erholen sollte, bevor es endgültig zur "Comedy" degenerierte.
Beinahe in voller Länge ist Feine Komödien - feine Tragödien (1991) präsent, Hüschs vorletztes und erfolgreichstes Programm, in dem sich noch einmal Literarisches und Biografisches aufs witzigste vermischen.
Wir sehen uns dann wieder war Hüschs letztes Programm, das hier in einer 86minütigen Aufzeichnung von 1999 vorliegt, vorgetragen von einem schwer atmenden Mann, der bereits von seiner Krebserkrankung deutlich gezeichnet war und die Tournee zu diesem Programm 2001 abbrechen musste. Hüsch starb 2005.
Drei größere Features ( Die Akte Hüsch, Zeitzeugen und ein längeres Interview mit Jürgen Kessler vom Deutschen Kabarettarchiv) zeichnen ein bisschen den Lebensweg nach, ohne viel zu verraten. Seine große "deutsche" Pause Anfang der 70er kommt kaum vor (als Hüsch für Jahre in die Schweiz verschwand), seine witzige und innovative Tätigkeit als Synchronsprecher (vor allem für Pat und Patachon ) wird nicht einmal gestreift.
Trotzdem enthält diese 3er-DVD das Beste, was man sich von und über Hüsch anschauen kann - soweit man das möchte.
Denn auch beim Wiedersehen merkt man bald, dass vor allem Hüschs Stimme und Sprechweise die Bedeutung seiner Texte unterstrichen. Die Hampeleien, die er dazu manchmal auf der Bühne veranstaltete, wirken oft grotesk Fehl am Platz. Auch ist nicht jede Nummer in ihrer besten Fassung präsent (aus der traurig-wütenden biografischen Nummer "Mein Onkel" wird hier eine schrille Albernheit).
Eine Besonderheit des späten Hüsch wird über Gebühr gewürdigt: Seine freundliche Sicht auf den lieben Gott. Der kam schon in Hüschs Tucholsky-Nummer in den 50er Jahren vor und hat jetzt einen würdigen letzten Auftritt im letzten Programm, in dem Hüsch erzählt, er sei ja für acht Wochen beim lieben Gott zu Besuch gewesen, und der habe ihn dann wieder nach Hause gebracht, mit dem Fahrrad, und unterwegs habe der liebe Gott ihm, Hüsch, der er auf der Fahrradstange saß und sich am lieben Gott festhielt, angeboten, ob er nicht einen Heiligenschein haben wolle. Sie hätten kürzlich im Himmel aufgeräumt und allein er habe seither 1000 davon übrig ("wie viel Petrus noch hat, weiß ich gar nicht"). Und wie Hüsch dann die verschiedenen Heiligenscheine aufprobiert und der liebe Gott dann sagt "DEN nimmst du, der passt prima, und außerdem kannst du ihn dimmen!") und sich schließlich eilig verabschiedet, weil er noch mit seinen Schutzengeln in Dinslaken chinesisch essen gehen wolle - da hat man dann am Ende wieder den ganzen Hüsch: Den fröhlichen Melancholiker, Literaten und Kleinkünstler, Dichter und Blödmann, Orgelspieler und Prediger. Und ganz bestimmt trägt er seinen Heiligenschein da oben mit bescheidenem Stolz. Und nicht mal unverdient.

Thomas Friedrich

Hüsch. Sieben Programme aus drei Jahrzehnten. 560 Min., 3 DVD, 3 Extras.