MARIA STUART - 2 FILME

Killerqueens & Hofintrigen

Zwei Historienschinken voller Sex und Blut und Rüschenkragen

Deutsche erinnern sich bestenfalls dunkel an ein Trauerspiel von Friedrich Schiller, für Engländer ist Mary, Queen of Scots, das Vollweib schlechthin, das schillernde Gegenbild zu ihrer übergroßen jungfräulichen Königin Elizabeth. Schade, dass Shakespeare, immerhin ein Zeitgenosse, kein Stück über das Duell der Königinnen schrieb. Die dramatischen Gerüchte tobten zu seiner Zeit jedenfalls fast so wie heute um Lady Di. Und jedes Schulkind weiß dort, dass der Henker zwei Axthiebe brauchte, um Maria zu köpfen.
Jetzt haben wir zwei Filme auf DVD. Der erste entstand 1971, sammelte allerlei Oscar-Nominierungen und sonstige Ehren, und zeigt, gefällig gerafft, ein mörderisches Intrigenspiel zwischen Elizabeth und Maria. Maria besteigt zu Shakespeares Geburt im Mädchenalter frisch verwitwet den schottischen Thron. Das passt Elizabeth gar nicht. Zwei starke Frauen manipulieren von nun an die Männer ihrer Umgebung, um ihre Macht zu festigen. Beide machen Anspruch auf ein vereinigtes Königreich, beide nutzen ihre Liebhaber skrupellos aus, beide versuchen, den Religionsstreit zwischen Katholiken und Protestanten, die wir hier wohl eher Anglikaner nennen würden, für sich zu nutzen. Maria fällt auf mehrere, teils von Elizabeth geschickte, Männer herein und ist beim Verschwören etwas ungeschickter. Der Film protzt mit theatralischen Auftritten und dramatischen Spitzen: Einmal etwa müssen sich drei Adlige vor Maria Treue schwören, die sich am liebsten gegenseitig und anschließend sie umbrächten.
Der zweite entstand 2004, ist fast doppelt so lang und macht aus den Hofintrigen meistens Fehler aus Leidenschaft. Es gibt mehr Bettszenen, mehr Schlachtszenen, mehr matschigen, blutigen Realismus. Der Regisseur setzt mehr auf Bilder als aufs Buch, mehrmals reden Protagonisten direkt in die Kamera, dreimal etwa muss ein (immer ein anderer) Verurteilter über eine Leiter in sein Verlies hinab steigen. Dafür fällt Elizabeth fast ganz weg und fast der ganze zweite Teil handelt nur noch vom Sohn Maria Stuarts. Der wird nach dem Tod beider Königinnen endlich Chef von ganz England und benimmt sich als shakespearisch hinkendes Scheusal historisch unkorrekt aber hinreißend daneben. Der Religionskrieg wird übermächtig, die Katholiken planen unter Berufung auf ihre Maria Stuart einen Anschlag und wollen das Parlament in London sprengen. Der neue längst protestantische König würde sie das glatt machen lassen, weil er das Parlament noch mehr hasst als den Papst, aber aus Staatsräson macht er eine Art Reichstagsbrand daraus. Die Terroristen und ihre Kirche werden ausgerottet, das dankbare Parlament erhöht dem König die Apanage. Und King James erhebt Shakespeare zum Staatsschauspieler. Das aber kommt im Film nicht mehr vor.
Ganz großes Kino. Mit interessanten Nebeneffekten. Im 71er-Film etwa ist Marias zweiter Mann offen bisexuell und Maria lässt sich von seinem Liebhaber schwängern. Im 04er-Film lässt sich ihr ekliger Sohn von einem katholischen Gesandten oral befriedigen, um ein Toleranz-Edikt zu erlangen.
Sowas schreit geradezu nach Extras und Bonus-Tracks, aber leider gibt es keine, nirgendwo. Dabei hätte beiden Filmen die Information gut getan, dass Maria und Elizabeth sich in Wahrheit nie begegneten, heute aber als nationales Kulturgut nah beieinander in der Westminster Abbey begraben liegen.

Wing

Maria Stuart - Königin von Schottland. GB 1971. R: Charles Jarott B: John Hale K: Christopher Challis D: Vanessa Redgrave, Glenda Jackson, Patrick MacGoohan, Timothy Dalton, Ian Holm. Extras: Text-Biographien. / Maria Stuart - Blut, Terror & Verrat. GB 2004. R: Gillies MacKinnon B: Jimmy McGovern K: Nigel Willoughby D: Clémence Poesy, Robert Carlyle, Catherine McCormack. Keine Extras