TRILOGIE DES LEBENS

Volks-Eros

Pasolinis fröhliche Sex- Filme sind wieder zu haben

Eigentlich war er durch eher deprimierende Schwarzweiss-Filme von durchdringender Vergeistigung bekannt geworden: Pier Paolo Pasolini, Kommunist, Katholik, Homosexueller, Schriftsteller, Kulturtheoretiker und Filmemacher, war durch formal schlichte Werke wie die Verfilmung des Ersten Evangeliums bekannt geworden oder durch Sozialstudien wie Große Vögel, kleine Vögel , Mama Roma oder Accatone . Immer wenn in Woody Allen-Filmen Witze über anstrengendes Kunst-Kino à la Bergman gemacht werden, darf man getrost an Pasolini denken.
Es war also nicht zu erwarten, dass der anfangs so unsinnliche Italiener gleich drei erotische Meisterwerke schaffen würde, die jenseits peinlicher Lederhosen-Erotik und verkrampften Kunst-Eros das pralle Leben feierten. Die Verfilmung des Decamerone (1971), der Canterbury Tales (1972) und Erotische Geschichten aus 1001 Nacht (1974) haben unter dem Titel "Trilogie des Lebens" ihren Platz in der Filmgeschichte gefunden.
Drei Sammlungen von Volksgeschichten dienten dabei als (sehr freie) Vorlage für nur locker miteinander verbundene Episoden, in denen das pralle Volks-Leben gefeiert wird. Meist geht es dabei natürlich um die Hindernisse, die überwunden werden müssen, damit die Geliebten zusammenkommen. Das können mal gestrenge Eltern oder ein Ehemann sein, in einem Fall wettet ein Gärtner, die Insassinnen eines ganzen Nonnenklosters zu vögeln (und gewinnt). Gedreht mit vorwiegend Laien und durchweg nachsynchronisiert, behandeln die Geschichten auch immer wieder den Tod, der gar persönlich auftritt und für Ordnung sorgt. In einer der finstersten Canterbury-Geschichten bringen sich drei junge Männer aus Gier gegenseitig um.
Die Erotischen Geschichten aus 1001 Nacht sind dabei, obwohl nur spärlich mit Sexszenen versehen, am freizügigsten und waren in einigen Ländern von Skandalen begleitet. Auffällig ist auch, dass Pasolini weniger die arabischen "Klassiker" inszeniert und mehr die afrikanischen und asiatischen Geschichten in den Vordergrund stellt. In hervorragender Bildqualität und mit englischem, deutschem und italienischem Ton erscheinen die drei späten Filme jetzt einzeln erneut als DVD. Die Extras, die's in der alten Edition gab, sind leider weg.
Über der Freude an der Wiederbegegnung mit diesen Klassikern der Lebenslust sollte nicht vergessen werden, dass Pasolinis letzter Film Salo ein Werk absoluter Hoffnungslosigkeit ist. Pier Paolo Pasolini, der im nächsten Jahr 80 Jahre alt geworden wäre, wurde am 2. November 1975 von einem Strichjungen ermordet.

Victor Lachner

Decameron. I 1971 R & B: Pier Paolo Pasolini K: Tonino Delli Colli D: Silvano Gatti, Franco Citti, Ninetto Davoli, Enzo Petriglia. Keine Extras./ / Canterbury Tales / I Raconti di Canterbury (Pasolinis tolldreiste Geschichten) I/F 1972 R & B: Pier Paolo Pasolini K: Tonino Delli Colli D: Hugh Griffith, Ninetto Davoli, Franco Citti, Josephine Chaplin. Keine Extras// / Il Fiore delle mille e una note (Erotische Geschichten aus 1001 Nacht) I/F 1974 R & B: Pier Paolo Pasolini K: Giuseppe Ruzzolini D: Ninetto Davoli, Franco Citti, Franco Merli, Tessa Bouché