DIE WILDEN SIEBZIGER

Sehnsucht nach gestern

Der liberaler Zeitgeist sucht US-Provinz heim

Lockerer Sex, Schlaghosen und peinliche Frisuren - so werden im Fernsehen gerne die Siebziger Jahre zitiert. Das gilt in Teilen auch für die US-Sitcom Die wilden Siebziger, die 1998 erstmals im Fox Network und zwei Jahre später auf RTL ausgestrahlt wurde. Allerdings spielt die Handlung im fiktiven Provinznest Point Place und die gelangweilten Jugendlichen wohnen noch bei den Eltern. So weht vom neuen Zeitgeist des angeblich so wilden Jahrzehnts nur ein laues Lüftchen nach Point Place.
Aber die High-School-Clique um den schüchternen Eric Forman tut ihr Bestes und macht es sich tagtäglich im Keller seines Elternhauses gemütlich. Groovy abhängen, irgendwie. Dabei wird das Thema Drogen für eine nachmittägliche Sitcom recht freizügig in die Handlung eingebaut: In surrealistisch inszenierten Circle-Sessions sitzen die Jugendlichen dann im Kreis und stammeln bekifften Unsinn in die Kamera.
Der größte Verdienst der Produzenten ist die komplexe Charakterzeichnung von Eric Formans Eltern. So ist sein kahlköpfiger Vater Red Forman zwar ein Kommunisten-Fresser, der seinem deutschen Pendant Ekel Alfred in nichts nachsteht. Doch auch er muss sich dem gesellschaftlichen Wandel beugen. Die Rezession zwingt den stolzen Auto-Ingenieur zur Kurzarbeit, was ihm vor den Nachbarn und der Ehefrau höchst peinlich ist. Die erfährt derweil in Frauenzeitschriften von neuen Trends wie Swinger-Parties und Feminismus. Damit stellt Erics Mutter regelmäßig den Ehetrott naiv aber höchst komisch in Frage. Der alte Red sehnt sich in schwarzweißen Traumsequenzen in die Fünfziger Jahre zurück. Die neue Lockerheit, sie widert ihn an. So erklärt er auf einer Cocktail-Party seinem distanzlosen Nachbarn, dass Männer sich niemals umarmen sollten. "Hey, wir sind in den Siebzigern" entgegnet der und knutscht Red ab.

Frank Krings

Die wilden Siebziger. Die komplette 1. Staffel mit 25 Episoden. 4 DVD mit div. Extras. Episodenführer: www.epguides.de/70s.htm