DIE SOPRANOS 6.2

Am Ende kein Schluss

Dass hinter jedem großen Vermögen auch ein großes Verbrechen steht, wussten wir bereits. Dass manchmal auch hinter einem großen Unvermögen das Verbrechen hervorlugt - das hat uns Soprano -Erfinder David Chase viele Jahre lang vorgeführt. Sein Toni Soprano und dessen Sippe (wie deren Widersacher) waren ja nicht wegen ihrer berechenbaren Bosheit und Geldgier so gefährlich, sondern weil sie so unsagbar blöd waren.
Neffe Chris bekam es gleich in der ersten Folge eingeprügelt, wie man Geld von säumigen Zahlern eintreibt. Am Ende, kurz vorm endgültigen Ende, geht Chris zum Ausheulen zu einem Freund, den er bei den AA s kennen gelernt hat (rührend war immer wieder der bürgerliche Ansatz, Charakterschwächen wegtherapieren zu wollen: Panikattacken, Drogensucht, Wutanfälle - für alles gab es Hilfe auf Rezept). Dem Freund will Chris nachts um eins sein Leid klagen: wie wenig er respektiert werde in Mob-Kreisen, weil er nicht mehr saufe. Der Freund ist genervt, es ist ein Uhr morgens und außerdem hat er zu arbeiten. Lass mich in Ruhe!, sagt er zu Chris. Der nickt, geht zwei Schritte Richtung Tür, zögert kurz, zieht eine Pistole, dreht sich wieder um und schießt seinem Freund mitten ins Gesicht. Bei den Sopranos hielt jede Freundschaft nur bis zum nächsten Wutanfall.
Psychopathen sind unterhaltsam, aber nicht lustig. An dieser engen Grenzziehung entlang baute Chase seine Mob-Serie. Komik, Tragik und der Untergang des amerikanischen Imperiums waren hier abzulesen; in der letzten Staffel arbeitete das FBI mit Toni zusammen, weil der ein paar Araber denunzierte. Im "Krieg gegen den Terror" kennen Amerikaner keine Feinde.
In der letzten, sechsten Staffel müssen die Sopranos noch einmal einen Bandenkrieg überstehen, es gibt viele Tote in den ersten Reihen. Bis an die Grenzen treibt Chase seine Figuren, ohne sie zu Karikaturen werden zu lassen. Es geht um Ego, Liebe, Hass, Drogen - also um Geld. Am Schluss, als fast alle tot sind, gehen die Sopranos essen. Sie werden im Restaurant beobachtet und bespitzelt. Irgend etwas wird gleich passieren. Da wird das Bild schwarz, der Ton angehalten, es ist vorbei. An jeder beliebigen Stelle, so zeigt uns Chase kann das enden. Weil es auch immer so weitergeht.

Victor Lachner

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