MEIN LEBEN ALS TERRORIST

Terror und Tomaten

Hans-Joachim Klein erzählt sein Leben

Hans-Joachim Klein war mal der wilde Mann in der linken Frankfurter Szene. Er wusste zwar nicht so genau, was seine Freunde (Joschka Fischer, Matthias Beltz, Daniel Cohn-Bendit) eigentlich wollten, aber Häuserkampf und Straßenschlacht waren ganz sein Ding. 1974 kam er zu den Revolutionären Zellen , 1975 überfiel er mit einer Gruppe Terroristen unter Führung von "Carlos" in Wien das OPEC-Zentrum und nahm 70 Ölminister als Geiseln. Bei einer Schießerei starben drei Menschen und Klein wurde schwer verletzt.
Die ganze Gruppe wurde nach Algerien ausgeflogen. Kurz darauf setzte er sich vom Terrorismus ab, schickte seinen Revolver an den Spiegel , schrieb ein Buch über seinen Ausstieg und war für die Szene ein Verräter. Dann tauchte er für 20 Jahre in der Normandie unter, bis er beschloss, sich den deutschen Behörden zu stellen. Nur wenige Tage vor der geplanten Ausreise nahm ihn die französische Polizei fest. Beim Prozess in Deutschland sagten Fischer, Cohn-Bendit und Beltz zu seinen Gunsten aus. Hans-Joachim Klein wurde zu neun Jahren Haft verurteilt und 2003 vorzeitig entlassen.
Jetzt erzählt er dem niederländischen Dokumentarfilmer Alexander Oey sein Leben. Mal schwärmt er etwas großmäulig von der Zeit der Hausbesetzungen und wie man der Polizei die Knüppel und Schilde abnahm, um später im Stadtwald mit Original-Equipment Räuber-und-Gendarm Üben zu können, mal schildert er sich als dummen Jungen, der von Carlos und anderen irregeleitet wurde. Klein und Oey laufen durch Frankfurt ("Da hat mein Vater mich immer verprügelt, da hab ich den Amis was abgefackelt"), begegnen Kleins Richter oder Cohn-Bendit, und unterlaufen immer wieder den Titel: Hans-Joachim Klein war länger im Gefängnis als aktiver Terrorist. Und noch viel länger aktiver Ex-Terrorist und Tomaten-Züchter.
Diese "Lebensbeichte" Kleins ersetzt kein Geschichtsbuch und keine Psychoanalyse. Was damals die einen in den Untergrund und die anderen in die Parlamente trieb, bleib unerforscht. Es sieht eher nach einem Kaffeekränzchen mit dem roten Opa aus. Und es ist streckeweise ziemlich komisch.

wing

NL 2005/2006. 1 DVD, 71 Min., 35 Min. Bonus: Deleted Scenes