DIE WILDE ZEIT

Wie ich einmal fast Terrorist geworden wäre

Versponnenes Jugendporträt eines Filmverrückten

Olivier Assayas hat einen Hang zum politischen Abenteuer. Nach seinem Porträt des Star-Terroristen Carlos , der vom Kämpfer für eine bessere Welt zum Auftragsmörder wurde, widmete er sich nun beinahe autobiografisch einem Schüler, der im Mai 1968 politisiert wird. Erst kratzt er nur im Philosophie-Unterricht ein Anarchisten-A in sein Pult, dann verteilt er Flugblätter, bald reist er mit Agitprop-Filmemachern herum und hinter verschiedenen Mädchen in hippiehaften Seidenkleidern her. Er will Maler werden, etwas bewegen, und streift von Drogen bis zu linken Flügelkämpfen, revolutionsästhetischen Debatten bis zur Kapitulation vor dem Geld der Eltern und der Größe richtiger Kunst jede Menge Themen der Zeit. Ein wenig traurig scheint er am Ende zu sein, weil er nur Kabelschlepper bei einem Monsterfilm wurde, während seine schönste Freundin scheinbar im Feuer der Bewegung unterging. Vielleicht aber war das auch nur eine Metapher, denn Assayas zündelt auffällig oft, an Kerzen, Zigaretten, Joints, einem Tankdeckel. Damals brannten wir, sagt jedes Bild. Und jeder der liebenswert ungelenken Laien-Darsteller erinnert jeden, der dabei war, an das Lebensgefühl der 1970er. So war das damals, "Aprèz Mai", wie der Film im Original heißt. Es war "Something in the Air", wie er international etwas poetischer vermarktet wird.

-w-

Aprèz Mai F 2012. R + B: Olivier Assayas K: Eric Gautier D: Clément Métayer, Lola Créton, Félix Armand, Carole Combes, India Salva Menuez. E: Making of, Lightshow