Arizona Dream

Das Cadillac-Komplott

Emir Kusturica träumt mit dem Holzhammer. Immer etwas aufdringlich, aber diese Maserung ... und nur mit Honig behandelt der exilbosnische Regisseur seine handgeschliffenen sanft geschwungenen Bilder, bis noch der schärfste Splitter sich schmeichelnd in die Finger schiebt. Das war zuletzt sehr deutlich in seinem minderheitenschonend von "Zeit der Ziegeuner" in "Time of the Gyspies" rückgetitelten Traumporträt jugoslawischer Tage-Diebe (kein Schimpfwort, sondern eine Metapher). Da flog ein weißer Truthahn hochsymbolisch durch das Elend, wenn es gar zu karg wurde. Und sympathische Verlierer auf das Zaubertier schossen, wenn es zu eindeutig poetisch wurde. Diesmal ist der Vogel ein Fisch.

Aber auch ein Flugzeug. Oder ein Cadillac. Aber meistens ein Fisch, ein Heilbutt, mit "beiden Augen auf der einen Seite". Das halten die Eskimos für ein Zeichen der Reife. Und Kusturica, geboren in Sarajewo, studiert in Prag, inzwischen selber Regie-Lehrer in Amerika, hält das für eine tragfähige Metapher, läßt sie mehrfach in wunderbaren Trichsequenzen durch die Handlung fliegen. Und kurz vor dem Showdown einmal quer durch einen vergammelten Cadillac.

Am Anfang zählt der jugendliche Held Axel (Johnny Depp, aus dem wird bestimmt mal was) Fische für die Meeresforschung, philosophiert über die weisen Schweiger, träumt von Alaska und ist als verlorener Sonderling eigentlich ganz zufrieden. Aber drei anderen Träumer der Geschichte bringen alles durcheinander. Sein Bruder, der eingebildete Schauspieler, sein Onkel (Jerry Lewis, der wird im Alter immer noch besser), der überzeugte Autohändler des einzig wahren Traumfabrikats, und vor allem zwei Frauen, Mutter und Tochter, eingesponnen in ihre zuweilen auch unsanft verrückten Welten. Mindestens einmal sehen wir, daß Kusturica auch die Addams Family kennt, und immer wieder sehen wir, wie Axel fast widerstandslos von einer Wunscherfüllungs-Phantasie in die nächste wechselt.

Beinahe wäre er ein richtiger Cadillac-Verkäufer geworden, beinahe hätte er geglaubt, daß sich das Auto mit den wunderlichen Flossen bis zum Mond stapeln läßt, um ein Haar wäre er mit der Mutter (Faye Dunaway, sehr erdnah, herrlich) nach Alaska geflogen, fast hätte er die Tochter aus ihrem Schildkröten-Trauma befreit ... aber alle Absichten gelingen anders als geplant, jeder kriegt nur scheinbar was er will. Auch wir. Es wimmelt von, man muß es schon wieder sagen, traumhaften Bildern, es gibt herrlich komische Passagen, traurige auch, es kitscht, aber alles bleibt immer so lange stehen, bis es zu schön geworden ist, um nicht doch ein bißchen wahr zu sein. Und dann fliegt der Heilbutt durch den Cadillac, die alte Vision löst die neue ab, und alles, was wir verstanden haben, verfliegt über der Eiswüste des mytischen Alaska, das mitten in Arizona liegt. Oder vielleicht doch im Herzen?

-w-