Strictly Ballroom

Der mit dem Witz tanzt

Die Geschichten wiederholen sich, sagte Karl Marx mal, als er aus dem Kino kam, das erste mal als Tragödie, das zweite mal als Farce. Oder so ähnlich.

Die Schritte auf dem spiegelnden Parkett wiederholen sich auch. Seit vielen Jahren schon. Und unter den Augen gestrenger Funktionäre zappelt die Jugend des Landes rückseitran zum regelgetreuen Ruhm. Und alle ähneln einander.

Wenn aber mal einer kommt, der die Regeln beherrscht und trotzdem seine eigenen Wege gehen will, dann wird da in der Regel ein Film draus. Und noch einer. "Dirty Dancing" war damals, der schöne Schmalz vom richtigen Jungsein im Disco-Mambo-Rythmus. "Strictly Ballroom" ist heute, der böse Kitsch vom Übergang ins echte Leben, Wiegeschritt, unter Verwendung mindestens zweier Kulturen. Und mehr noch: bei beiden Filmen gehen Innen- und Außengeschichte zusammen. Ein unbekannter Starrkopf liebt das Kino und das gute Gefühl und zaubert aus einer Plastik-Tellerwäscher-Story einen anrührenden Mega-Seller. Hoffentlich. Des Buz Luhrmanns Ballroom war jedenfalls der Unterhaltungs-Knüller in Cannes. Und kommt aus Australien.

Da lebt die Tradition des Ballroom (und des angeschrägten Kinos sowieso) immer noch, des Schautanzens als Volkssport, und eine junge Hoffnung hüpft, vom ästhetischen Überschwang getrieben, über den strengen Schritt-Kanon. Sperre. Tragödie. Denn die Mutter war mal ein Star im Geschäft, und der Vater wäre fast mal einer geworden. Prompt wringen Eintänzer und Einzelkind die Seele in der Brust. Dann stößt ein häßliches Entlein (eine Späteinwanderertochter, nicht nur in Australien nicht die erste Wahl für Bügerssöhne) zum mutlosen Ausdrucks-Helden, beide arbeiten sich aus dem Abseits wieder zur Turnierreife hoch, verlieben sich ineinander, lernen von ihrem spanischen Vater, was Paso Doble wirklich bedeutet - und gewinnen am Ende natürlich, und natürlich Brust an Brust, alles: Herz, Pokal, Film, Publikum ...

Aber nicht, weil die Geschichte schon mal so erfolgreich war, sondern weil der Erfinder und monomanische Einpeitscher des Ballroom-Projektes (Buz macht alles, Idee, Buch, Drehbuch, Regie) ein fast perfektes Gleichgewicht hält zwischen Schluchzen und Scherzen, persönlichem Drama (warum ist mein Vater ein Idiot?) und exemplarischem Dramolett (wo ist das Tanzlehrerverbandpräsidenten-Toupet?), grandiosen Gesten (die Stille in der Ball-Arena vor dem letzten ersten falschen(?) Schritt ...) und hinreißenden Kleinigkeiten (das Haupt-Paar tanzt stolz bei Spanierns Paso Doble vor - und die einfachen Leutchen fallen vor Lachen vom Stuhl) ... ach, wer nach diesem Film nicht ins Schwärmen kommt, wer jetzt nicht endlich den einen, seinen Schritt versucht, der alles ändert und von Herzen kommt, wer hier nicht Grinsen kann über den ironisch nachgestellten Inszenierungs-Plüsch der alten Musicals, wer sich nicht über ein paar Überdeutlichkeiten hinwegtragen läßt vom quietschfidelen Schwung des Traums ... der ist ein Schuft, der bleibt im Foxtrott eben sein Leben lang.

Und wer den deutschen Untertitel "Die gegen alle Regeln tanzen" sich ausgedacht hat, der verläßt besser bis zum Sonnenuntergang die Stadt.

-w-