Belle Epoque

Francos Tante

Man muß möglicherweise mal Katholik gewesen sein, um Männer in Kleidern zum Schießen zu finden. Oder Frauen in Hosen autoritätszerrüttend. Aber man muß nicht mal aus Eifersucht Faschist geworden sein, um darüber Lachen zu können, wie eine ex-groß-bürgerliche Familie am Rande des spanischen Bürgerkriegs vom Charme eines desertierten Soldaten desintegriert wird. Und wie darüber alle glücklich werden. Nur das Land nicht, aber das kommt im Film nicht mehr vor.

Fernando Truebas spanische Farce von heute spielt im letzten Sommer der Monarchie, 1931. Franco ist noch Jahre entfernt, aber die Geschichte erzählt sich im Stil als Parodie auf den Typ Heimatfilm, der unter dem Caudillo boomte. Deren komplettes Personen-Arsenal tritt in der Belle Epoque auf, allerdings dreifach verdreht zwischen böser Satire und Bauern-Schwank. Schon am Anfang: der junge ehemalige Theologie-Student und Soldat des Königs verläßt die Truppe, wird beim Ins-Gebüsch-Scheißen von Dorf-Gendarmen ertappt - und die erschießen sich im Streit über die Zukunft von Staat und Befehlshierarchie.

Im Hauptteil gelangt der Deserteur Fernando in das Landhaus Manolos, eines armen, alten republikanischen Malers. Dann kommen dessen vier schöne Töchter aus Madrid zu Besuch und lösen einen Liebes-Reigen aus, der dekadente Endzeit, desolat gewordene Traditionen und experimentierfreudige Hoffnung in eins verkörpert. Vier Formen des Weiblichen brechen über unseren Helden herein, ein zartes Mädchen, ein glutäugiges, eine patente Halb-Lesbe, eine Witwe, und alle benehmen sich ebenso komisch wie symbolisch daneben. Zum Beispiel auf dem Karneval, dem traditionellen Fest des Umsturzes, bei dem Fernando als Dienstmagd einer als Soldat verkleideten Tochter verfällt.

Es kommt noch wilder. Manolos Frau kommt. In Begleitung ihres Liebhabers, der sich von Manolo trösten läßt, als der ihn mit ihr "betrügt". Dabei betrügt in Wirklichkeit er sie, indem er Opernhäuser mietet, um der abgehalfterten Zazuela-Sängerin (eine volkstümliche Schlager-Art) die Karriere vorzugaukeln. Dabei schunkelt die Kamera so sehr im Takt des Begrüßungsliedes hin und her, daß wir unmöglich glauben können, der Regisseur nähme seinen decouvrierenden Zugriff ernst. Leider. Wiewohl die mehreren Intrigen und Verwirrungen in der Nacherzählung nur als komödiantische Kritik nationaler Untugenden einen Sinn macht. Wenn etwa das einer anderen Manolo-Tochter versprochene monarchistische Muttersöhnchen aus der Nachbarschaft die Gesinnungen wechselt wie das Hemd. Weil der Held ihm seine Verlobte auszuspannen droht, schwenkt er aus Rache nach rechts, weil Republikaner scheinbar eher an eine Frau kommen, kippt er nach links, weil Mama viel auf den Bischof hält, steckt er die Kirche des Dorfes an, weil deren Priester aber eher zur Anarchie tendiert, verweigert der die gewünschte Protest-Exkommunikation ...

Am Ende kriegen beide Deserteure, der von den Fronten zu den Frauen, und der von der Mutter in den ziellosen Mut, ihre Hochzeit. Zivil getraut von Manolos Hand, weil sich der Priester (ein bißchen Camillo und Peppone in einer Person) gerade aufgehängt hat. Nachdem er Unamuno gelesen hat, einen in Spanien hochberühmten Schriftsteller der Republik und der moralischen Verantwortung des Einzelnen ohne Gott. Weil uns hier solche Hintergründe aus dem Geistesleben fehlen, kommt Belle Epoque uns oft vor wie eine bloß schräge Comedy - mit einem hohen kulinarischen Anteil übrigens. Tortillas, Paellas und Hühnchen al Chilindron (Knoblauch, Zwiebeln, Tomaten, Paprika) werden zwischen den Szenen zelebriert, damit man das Elementare unter dem Amüsement sieht und schmeckt. Aber die langsam Überhandnehmende Nouvel Cinema Cousine Vague wollen wir nicht auch noch toterklären. Belle Epoque macht Sinn und Spaß, wenn auch nicht immer gleichzeitig.

-w-