BODIES, REST & MOTION


Endstation Newton

Ein etwas kreidestaubiges Beziehungs-Billard

Etwa in der Mitte des Films steht ein Pool-Billard-Tisch herum. Ein unsichtbarer Spieler stößt an, es klickeradommst in extremer Draufsicht - und die Schwarze Acht bleibt in der Mitte liegen. Überblendung, weiter in der Geschichte, die wir spätestens ab dann mit einem symbolischen, weinenden Augen sehen: Grundstellung, Impulsaustausch, alles fliegt auseinander - und solange der Eightball noch auf dem Tisch ist, kann man noch gewinnen.
Ziemlich gegen Ende des Films hält ein Motorrad-Rocker kurz neben der Story, deutet auf ein Telefonhäuschen und fragt "funktioniert das Ding?". Der Harley Davidson-Mann ist Peter Fonda, und der Witz funktioniert genausowenig wie das Telefon, von dem der eine Haupt-Mann der Geschichte (Tim Roth) seine Frau anrufen wollte (Peters Tochter Bridget); nachdem er sie erst verlassen - und dann vergeblich seine alten Eltern gesucht hat. Überaus kohärent, nicht wahr?
Am Anfang des Films gleitet die Kamera durch Arizonas Wüste, still stehen die Kakteen in der Sonne, wie die Einkaufszentren, und die Musik klingt wie Philip Glass goes Navajo. Die Versuchsanordnung steht. Tim Roth liegt bei seiner Ex-Geliebten (Phoebe Cates) auf dem Sofa und versucht wie Nicholas Cage auszusehen. Nichts bewegt sich. Leider hat man dem Elektro-Artikel-Verkäufer gekündigt. Übermorgen will er mit seiner Frau, die gleichzeitig ihre Freundin ist, nach Montana umziehen. Zu neuen Ufern? In eine neue Öde? Das reicht als Anstoß.
Während er an seinem letzten Arbeitstag einen großen Fernseher klaut, verliebt sich Bridget Fonda vorsichtig in den Anstreicher (Eric Stolz), der ihr Haus für die Nachmieter vorbereiten soll. Während er dann doch allein das Weite sucht, erzählt der Maler seiner neuen Freundin vom Glück des Verharrens im Bekannten. Während der Ex-Fernseh-Verkäufer unterwegs keine Wurzeln findet (die Eltern sind weggezogen, die Indianer sind ganz unmagisch Tankwart geworden), verkauft seine Frau das ganze Haushaltsgerümpel auf dem Flohmarkt. Bis auf den Fernseher. Und während der Ausbrecher wieder nach Hause rast, verlässt seine Frau die alten Gewohnheiten und die neue Liebe ohne Ziel.
Am Ende gibt der ruhelos ins Leere Heimgekehrte dem plötzlich Verlassenen Tips für die Suche: "Wenn einer nicht weiß, wo er hinwill, fährt er auf dem Highway immer geradeaus". Er selbst trägt seinen Fernseher zur Freundin von früher. Nichts ist verloren. Der Film blendet aus.
Wenn man ihn als 48-Stunden-Beziehungs-Komödie sehen will, wird man sich langweilen. Wenn man zu genau auf die bemüht bedeutsamen Dialoge hört, wird man sich ärgern. Wenn man aber die vielen Kontraste beachtet, zwischen den kalten, abgezirkelten Bildern und der konturlos zerfließenden Handlung, zwischen dem kühnen Konzept aus dem Metaphern-Baukasten und den langen Schwebephasen in der Schauspielerei ... dann wird man sich schon unterhalten. Wenn man das dem Film vorangestellte Motto, das Trägheitsgesetz von der gleichförmigen Bewegung, im Kopf ergänzt um das Dreikörperproblem, an dem die Newtonsche Mechanik schon weit vor Einstein zusammenbrach: es ist im schwerelosen Raum prinzipiell nicht möglich, alle Kräfte exakt zu berechnen, die drei oder mehr Körper ähnlicher Masse aufeinander ausüben. Weswegen wir es dem Debüt-Regisseur Michael Steinberg auch nicht übel nehmen können, daß es ihm nicht gelang.

WING