MRS. DOUBTFIRE

Robins Poppins

Wer sagt denn, daß man im Kino nichts fürs Leben lernt? Zum Beispiel erkennt man, daß fast nur Kinder im Saal sind , spätestens daran, daß das Licht während der Werbung nicht ganz ausgeht. Um zu kontrollieren, wie Kids und sporadische Begleit-Ältere auf Bier- und B-Test-Reklame reagieren? Und daß in Amerika "No Smoking" läuft, erkennt man in der ersten Szene des Hauptfilms.

Da spricht Robin Williams/Peer Augustinski einen Zeichentrick-Vogel. Und als die böse Katze zu dessen Hinrichtung schreitet, incl. letzter Zigarette, extemporiert der famose Synchronisator plötzlich skriptfern über die Gefahren von Schnabelkrebs und Nachwuchsverderbnis. Das ist, weil Hollywoods Wirklichkeit immer hinter seinen Realitätsfiktionen herhinkt, ein Kündigungsgrund. Das führt, um Robin vom Solo in die Story zu bringen, zur Scheidung. Damit wir sogleich auch lernen, daß heute eine erfolgreich berufstätige Frau (Sally Fields und Innenarchitektin, wer heiratet eigentlich sowas?) den arbeitslosen wenn auch kinderlieben Mann zum Scheidungsgrund nehmen darf.

Weiter, liebe Kinder, erfahren wir, daß solche Entmannungsprozesse im angelsächsischen Recht im Handumdrehen erledigt werden, daß der Hinausgeworfene binnen einer Woche eine große Wohnung und eine kleine Arbeit findet, und in der nächsten Woche schon über Stereo-Anlage, Einbauküche und Rosenholz-Möbel verfügt. Nur über seine Kinder nicht, die alle drei so herzensbrav und pubertätslos sind, daß jede Privat-TV-Comedy mehr Sprengstoff enthält. Brrr. Das liegt daran, daß "Mrs. Doubtfire" eigentlich ein englisches Kinderbuch ist, das dem Ehepaar Williams im wahren Leben so gut gefiel, daß beide (er Protagonist, sie Produzentin) ein flammendes Plädoyer gegen Scheidungsopfer daraus machen mußten. Mit Robin Williams als Mary Poppins von heute.

Damals war die Familie am Anfang der Auflösung (Mutter Suffragette, Vater Bankdirektor) und das engelhafte englische Kindermädchen mußte bloß ein Löffelchen Zucker und den Willen zum Lachen rettend beisteuern. Ihr beispielhafter Hallodri-Freund war damals Dick van Dycke - heute sitzen die Scheidungswaisen vor TV-Wiederholungen der "van Dycke-Show", und der rollenvertauschte Papa muß sie als sein eigenes Kindermädchen zum Hausarbeiten machen schicken. Verkehrte Welt. Um seine Kinder weiter sehen zu können, hat sich Danny Hillard in Mrs. Doubtfire verwandelt, und der haltlose Träumer-Mann wird darüber zum liebevoll-strengen Nanny-Frau-Ersatz.

Zerstört aber den möglichen Lerneffekt soziokultureller Kontrastierung gleich wieder durch furiose Transvestiten-Solis. Daß der Kind-Mann Eltern-Verantwortung nur als Fake-Frau lernt, behauptet Spielbergs Regie-Schüler Chris Columbus bloß. Tatsächlich läßt er gleich zweimal Robin im fliegenden Wechsel Nanny und Danny spielen. Das echte Maskemachen dauerte zwar immer vier Stunden, aber im Film wechseln die Identitäten so schnell, daß der Kostüm-Clown schließlich selber durcheinanderkommt.

Aber wieder verpaßt der Film die Chance, mehr als ein Impersonator-Vehikel zu sein. Abrupt laufen Moral und Maske zusammen, Danny rettet dem neuen Verehrer seiner Frau das Leben (Pierce Brosnan, ein netter Mann, der Besseres verdient hat), verliert dabei sein Nanny-Kostüm, verliert auch den Wiederaufnahmeprozess um das Sorgerecht (weil der Richter seine gelungenen Charakterisierungen für einen Charaktermangel hält, recht hat er), und darf am Ende, wieder als Mann, weil seine Frau ein Einsehen hat, die Kinder immerhin jeden Tag von der Schule abholen.

Das sieht wie das einzig Positive am ganzen Film aus, daß er nämlich seinen restaurativen Furor doch noch bremst. Man kann die Scheidung und ein Happy End haben. Schön wär's. Nur ist dieser didaktische Kniff in der Wirklichkeit genau das Loch, in dem dieser Held in Strumpfhosen verschwindet. Er macht im Film schließlich erlöst die Oma für eine Art Muppets-Bildunsgfernsehen, seine Kinder sind verlogenerweise begeistert davon, und seine Frau vergißt darob den Lover von vorhin ganz und gar. Wer sich da dann nicht traut, Nanny und Mammi quer zum Kitsch ins selbe Bett zu stecken, der hat aus schierer realpolitischer correctness einfach die wahren Möglichkeiten seines Themas verfehlt. Und die Dutzend Löffelchen Zucker vorher (bzw. Pfefferprisen bei einem running-restaurant-gag mit Williams/Doubtfire) können das nicht mehr retten.