21 GRAMM


Kopf-Kino

Nach Amores Perros setzt Alejandro Gonzalez Inarritu wieder auf die Verwirrung

Wer im Kino nicht gerne puzzelt, kann sich gleich an der anderen Kasse anstellen. Schon in seinem spektakulären Debüt Amores Perros hatte der mexikanische Regisseur Alejandro Gonzalez Inarritu die lineare Erzählweise radikal aufgebrochen. Mit 21 Gramm dreht er nun seinen ersten Film in Nordamerika und treibt - als wolle er jeglicher Infiltrierung durch Hollywood-Konventionen vorbeugen - sein dramaturgisches Konzept weiter voran. Erneut laufen drei Geschichten parallel, die in ihre Einzelteile zerlegt und lose miteinander verbunden werden. Munter springt 21 Gramm zwischen filmischer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hin und her. Manchmal weiß das Publikum mehr als die Figuren auf der Leinwand. Andere Szenen wiederum werden für die Zuschauer erst im Nachhinein verständlich.
Inarritu tut das, was Regisseure gerne tun: er spielt Gott, lädt seinen drei Figuren schwere Schicksalsschläge auf die Schultern und schickt sie im Zickzack-Kurs durch die erzählte Zeit. Sean Penn spielt den herzkranken Mathematikdozent, der dem Tod ins Auge sieht und nach einer Transplantation nicht mehr in sein altes Leben hineinpasst.
Naomi Watts ist Christina, die Mann und Kinder durch einen Autounfall verloren hat und seit dem ihre Trauer mit Alkohol und Tabletten herunter zu spülen versucht. Benico Del Torro gibt einen ehemaligen Knastbruder, der sich einer fundamentalistischen Christengemeinde angeschlossen hat und sich dadurch mit aller Gewalt auf den rechten Weg bringen will.
Alle drei Figuren (und deren Schauspieler) sind dramatische Schwergewichtler, die einen Spielfilm alleine tragen könnten. Aber dann wirft Iñárritu die Schicksalsmühle an, knotet die drei scheiternden Existenzen aneinander und treibt sie in die finale Erlösungssuche.
Obwohl das eigentliche Ende schon sehr früh vorweggenommen wird, bleibt die Geschichte bis zum Schluss spannend. Allerdings nur für diejenigen, die bereit sind, sich in Inarritus angestrengte Hackfleischdramaturgie einzuarbeiten.
Es ist schon in Ordnung, wenn Filmemacher ihr Publikum herausfordern und eine Geschichte immer neu im Kopf zusammengesetzt werden muss. In Amores Perros reflektierte die zerklüftete Erzählweise die sozialen Kontraste der mexikanischen Gesellschaft. In 21 Gramm verkommt die Methode jedoch zur formalen Spielerei, die keine tiefere Erkenntnis hervorbringt. Iñárritu ist allein an der biblischen Wucht seiner Geschichte interessiert, deren aufdringliche Intensität allerdings nur vorgespiegelt wird. Denn bei der hochdramatischen Suche nach der Seelentiefe des Menschen verliert der Film in einem hoffnungslos überladenem Schicksalsgemälde seine eigene Seele.

Martin Schwickert
21 Grams R: Alejandro Gonzalez Inarritu B: Guillermo Arriaga K: Rodrigo Prieto D: Sean Penn, Benicio Del Toro, Naomi Watts