Abschied von den Fröschen

Fröhliche Sinnlosigkeit

Ulrich Schamoni beobachtete seine letzten Jahre in einem Filmtagebuch

Während sich der "Neue Deutsche Film" mit den Problemen der Welt abmühte (oder mindestens denen seiner Regisseure), machte der in Berlin geborene Ulrich Schamoni fröhliche, freche Filme, die ein bisschen die "Tu Nix"-Bewegung vorweg nahmen. Nach Es und Alle Jahre wieder (eine boshafte Abrechnung mit der spießigen Wahlheimat Münster) waren vor allem Quartett im Bett (mit den Jacob Sisters und den "Insterburgern") und Chapeau Claque (mit Schamoni selbst in der Hauptrolle) kecke Dokumente der aufkommenden neuen Albernheit.

Einige Filme spielten in Schamonis Berliner Villa. Chapeau Claque und später Das Traumhaus spielten sogar fast ausschließlich dort. Und so ist es ein seltsam berührendes Erlebnis, den einstmals stattlichen Schamoni jetzt stark abgemagert durch seinen verwilderten Garten staksen zu sehen, immer noch absurde Sprüche absondernd und vorwiegend die Frösche und Käfer und Bienen dabei zu filmen, wie sie sich in Schamonis Garten amüsieren. Manchmal ist von seiner Leukämie die Rede, von Krankenhausaufenthalten, seinem Geburtstag. Freunde scheinen nicht viele vorbeizukommen. Ein durch und durch absurdes Filmprojekt, in dem es darum gehen soll, dass Hermann der Cherusker der Vater von Jesus gewesen sei, wird voller Ernst vor der Kamera weiterentwickelt. Schamoni muss dabei nicht mal grinsen.

Zusammengestellt und durch Ausschnitte aus früheren Filmen klug ergänzt hat das Schamonis Tochter Ulrike. Abschied von den Fröschen ist ein echter Schamoni-Film geworden: Absurd, melancholisch, den Blick auf die kleinen Dinge gerichtet, mit einem feinen Gespür für Komik.

Die letzten Aufnahmen, die Schamoni von sich selbst machte, entstanden nur wenige Tage vor seinem Tod im März 1998. "Dass ich so flüstere, liegt daran, dass ich gar nicht lauter reden kann. Mehr Stimme kann ich nicht geben.", sagt er. Und dann sehen wir einen Ausschnitt aus Chapeau Claque, in dem der junge Schamoni mit der halbnackten Andrea Rau in seiner Villa Walzer tanzt, beobachtet durchs Fenster mit einer weiten Einstellung von Schamonis Garten aus, so als wäre er selbst einer der Frösche und Käfer, die er so leidenschaftlich beobachtete, ohne dass das je einen Sinn ergeben hätte.

Thomas Friedrich

D 2011 R: Ulrike Schamoni. Nach dem Filmtagebuch von Ulrich Schamoni. Mit Ulrich Schamoni