DER ADLER DER 9. LEGION

Jenseits der Grenze

Ein antiker Western im wilden Norden

Erst schwankt ein bisschen historische Information im offensichtlichen Nebel der Vergangenheit über die Leinwand, dann schiebt sich ein militärischer Kahn über einen zugewachsenen Fluss. Wir sind im 2. Jahrhundert irgendwo in England, am Rande des römischen Reiches, aber wir fühlen uns jetzt schon eher wie Aguirre oder auf dem Mekong; grundsätzlich unsicher und von allen Seiten beobachtet. Zwei Bilder später ist unser Held in seinem kleinen Fort angekommen und erfährt als erstes, dass die Latrinen kaputt sind.

Sandalenfilme fangen eigentlich anders an. Kino-Römer benahmen sich bisher nicht wie abgefuckte Marines und kotzten auch nicht vor der Schlacht. Aber richtige Helden werden seit Lt. Dunbar erstmal in Klump gehauen, bevor sie ihre eigentliche Aufgabe finden.

Unser Markus Aquila zeigt schon in der ersten Nacht, dass er mehr hört als andere, eine feinere Wahrnehmung hat und seine Jungs aus der Bredouille haut, auch wenn die es ihm gar nicht zutrauten. Markus ist nämlich mit einer Art Familienfluch geschlagen. Sein Vater hat vor 20 Jahren in England die ganze 9. Legion samt Feldzeichen verloren, was für die Nordgrenze des römischen Imperiums etwa so schlimm war, wie die Varus-Niederlage 100 Jahre zuvor im Westen. Nun ruiniert sich der Sohn ein Bein bei der Verteidigung seines Grenzpostens, was ihm aber irgendwie als Ehrwiederherstellung nicht genug ist. Deshalb bricht er als humpelnder Zivilist und nur begleitet von einem, wegen der Dramatik natürlich britischen, Sklaven auf, um im hohen Norden seine Mitte zu finden und den Adler der 9. Legion zurück zu holen.

Zwei Männer reiten nun durch den wilden Norden, der Vertreter der Weltmacht und der halbintegrierte "Indianer", und sie lernen allmählich, dass sich Imperien besser aus den Angelegenheiten ihrer Nachbarn heraus halten sollten. Schließlich stoßen sie sogar auf einen seltsamen Stamm, der ganz indianerhaft in Fellhütten wohnt, ums Feuer tanzt und garstige Rituale pflegt. Jetzt haben wir also auch noch den 13. Krieger im Zitatenschatz.

Unter der ständigen Erkennbarkeit der Abweichung leidet diese eigentlich anspruchsvolle Verfilmung eines in England hochberühmten Jugendbuchs ein wenig. Der völlige Verzicht auf Frauen in Sprechrollen hilft dagegen, den Film als Macho-Fantasy zu erkennen, die ein paar Fragen von Zivilisation und Imperialismus ohne störendes Beiwerk ausagiert. Einige amerikanische Kritiker bemerkten, dass die Römer, die Imperialisten der Antike, erstmals in der Filmgeschichte durchweg mit amerikanischen Schauspielern besetzt wurden, statt wie sonst edler aussehende Briten zu verwenden. Dafür mussten die naturburschigen Briten alle gälisch lernen, was damals zwar kaum jemand sprach, aber es klingt so schön urmännerhaft.

So wird der globale Northern durchaus zum Anschlag auf das Mutterland. Unsere Jungs im Irak und Afghanistan sollen ihre Feldzeichen wiederkriegen, einpacken, und mit ihnen nach Hause gehen.

Wing

The Eagle USA/GB 2011 R: Kevin Macdonald B: Jeremy Brock, K: Anthony Dod Mantle D: Channing Tatum, István Göz, Bence Gerö, Denis O'Hare