»IM AUFTRAG DES TEUFELS«

Die Kanzlei

Sind Rechtsanwälte immer des Teufels?

Der O.J.Simpson-Prozess hat sich längst als Trauma in die nationale Gemütverfassung der USA eingegraben. Im zum medialen Rummelplatz umgestalteten Gerichtsaal wurden nicht nur hochheilige, moralische Gerechtigkeitkategorien ausgehebelt, sondern auch der Justizapparat im allgemeinen und der Berufsstand des Rechtanwaltes im besonderen nachhaltig diskreditiert. Kaum eine Berufsgruppe verbindet horrende Honorare mit einem derart miserablen gesellschaftlichen Image wie die Rechtsverdreher-Branche. Hollywood hat sich schon in zahllosen Gerichtsfilmen um Ehrenrettung für das Gewerbe bemüht. Mit Taylor Hackfords Im Auftrag des Teufels allerdings scheint man das Lager wechseln zu wollen, denn hier geht das Advokatentum einen Packt mit dem leibhaftigen Satan ein.
Kevin Lomax (Keanu Reeves) ist in Florida ein erfolgreicher Junganwalt. In Serie gewinnt er einen Prozess nach dem anderen und ist dabei zu bescheidenem Reichtum gekommen. Mit seiner schnuckeligen Frau Mary Ann (Charlize Theron) lebt er das glückliche, provinzelle Yuppie-Leben mit passabler Eigentumswohnung und Cabrio-Fahrten im Sonnenschein. Der Film stellt den Karrieristen in seinem ersten anwaltschaftlichen Gewissenskonflikt vor: Lomax verteidigt einen fettleibigen Mathematiklehrer, der des sexuellen Mißbrauchs von Schülerinnen bezichtigt wird. Obwohl Lomax während des Verfahrens feststellt, daß sein Klient schuldig ist, entscheidet er sich dafür, ihn rauszuhauen, indem er die jugendliche Belastungszeugin demontiert. Die Karriere ist gerettet und die Gewissensbisse werden im Zuge der Siegesfeierlichkeiten mit viel Schnaps heruntergespült. Eine New Yorker Anwaltskanzlei wird auf Lomax aufmerksam und wirbt ihn mit auffallend großzügigen Schecks an. Obwohl die gottesgläubige Mutter mit originalgetreuen Bibelversen vor dem großstädtischen Sündenbabel warnt, zieht Lomax samt Lebensabschnittbegleiterin vom sonnigen Florida in die kühle Ostküstenmetropole.
In New York erwartet das Paar ein Leben in gigantischem Luxus. Der neue Arbeitgeber hat für alles gesorgt und zeigt sich nicht knauserig. Die international operierende Anwaltskanzlei residiert in respektablen Büroräumen - in die innenarchitektonische Gestaltung dürfte ein nicht geringer Anteil des 70 Millionen Dollar-Budgets geflossen sein. Herrscher über das juristische Imperium ist John Milton. Al Pacino mimt hier wieder den charismatischen Bösewicht, der mit diabolischem Charme alle um den Finger wickelt. Auch Lomex unterliegt der Verführungskraft, die Ruhm und Reichtum verspricht. Voodoo-Priester und Baulöwen, die ihre ganze Familie hingemordet haben - die Klientel die Lomex zu verteidigen hat, ist zwielichtig. Schon bald häufen sich die Anzeichen, daß in der Anwaltskanzlei das Böse selbst die Fäden zieht, und langsam mutiert das realistische Juristendrama zum abgedrehten Horrorthriller.
Als Mischung zwischen Rosemary's Baby und Goethes "Faust" hat Taylor Hackford seinen Film angelegt. Wenn man das moralische Pathos, mit dem sich die etwas krude Story schmückt, nicht allzu ernst nimmt, hat man schon alleine aufgrund der visuellen Effekte gute Chancen auf einen unterhaltsamen Kinoabend. In einzelnen Passagen liefert Im Auftrag des Teufels auch schon einmal großes Theater, etwa wenn Al Pacino als Mephisto zu seinem Abschluß-Monolog ausholt. Gnadenlos spielt der Meister den etwas blutleer agierenden Keanu Reeves an die Wand. Gegen Ende flippt die mit Bibelzitaten gespickte Geschichte über den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse allerdings völlig aus und rettet sich gerade noch soeben ins obligatorische Happy End.

Martin Schwickert