DREI AFFEN - NICHTS HÖREN - NICHTS SEHEN - NICHTS SAGEN

Nicht dran rühren

Ein stilles Familiendrama aus der Türkei

Auf seinen seltsamen Titel kam der türkische Regisseur Nuri Bilge Ceylan erst, als er den Film fertig gedreht hatte und große Teile wieder heraus schnitt. Nicht alles zu zeigen, was wirklich passiert ist, wurde zum Darstellungsprinzip einer Geschichte, die vom Auslassen, Überhören und Wegsehen handelt. So verdoppelt sich die Bedeutung der Affen. Im Westen sind sie bekannt als Drückeberger-Emblem, im japanischen Buddhismus sind sie Weise, die das Böse in der Welt durch Nichtbeachtung bekämpfen. Im Film kommen sie gar nicht vor.

Dafür gibt es drei Leichen. Eine liegt des nachts auf einer einsamen Straße. Zwischen zwei Bildern hat sie versehentlich ein Provinzpolitiker überfahren. Weil der grad im Wahlkampf ist, schickt er Eyüp, den Chauffeur, an seiner Stelle ins Gefängnis. Für dessen Familie wird gesorgt.

Die zweite Leiche ist schon länger tot und tritt erst in der Mitte des Films als tropfnasser Geist auf. Scheinbar hatte Eyüp mal zwei Söhne. Einer ertrank als Kind, der zweite ist heute ein zaudernder Schulversager und verprügelt seine Mutter, weil die ein Verhältnis mit dem Politiker angefangen hat. Hätte Ismael besser aufgepasst, wäre ihm sein Hamlet-Komplex wohl aufgefallen.

Von der dritten Leiche erfahren wir erst am Ende. Eyüp ist längst wieder frei, das Familienleben aber ist zerrüttet, und beinahe hätte Eyüp seine Frau aus Eifersucht vergewaltigt.

Ein simples Funkrufsignal reicht, um anzudeuten, dass plötzlich die Polizei vor der Tür steht, ein paar Türen öffnen sich, um uns zu zeigen, wer offenbar nicht getötet wurde, und für ein paar Minuten ist das Drama ein Krimi. Dann wird es etwas ruckelig doch zur Parabel der Kommunikationsunfähigkeit. Eine einsame Gestalt steht hoch aufragend gegen die düsteren Wolken über dem Bosporus und kurz bevor das Gewitter los bricht, ist der Film aus. Der Regen prasselt über den Nachspann, so wie am Anfang über den unfallauslösenden Sekundenschlaf.

Aufs Reissbrett übertragen sieht die Parabel fast aus wie von Kurosawa. Mythische Figuren rennen wortlos in ihr Verderben. Im Kino sieht man eher bröckelnde Menschen, die in langen, farbentsättigten Einstellungen stumm herum gucken. Und man bemerkt, dass Nuri Bilge Ceylan zuweilen irritierende filmische Tricks einsetzt. Da läuft ein Dialog über den stummen Mund des Sprechers, da rafft eine Montage viele erfolglose Telefonkontakte zu einem langen Tuut Tuut, da kommt die einzige Filmmusik von einem Handy-Klingelton, immer wieder, und da singt eine verzweifelte Liebende davon, dass sie ihren Ex gern so unglücklich wie sich selbst sähe.

Die beiden Teile kommen nicht zusammen: Der kalkulierte Versuchsaufbau und das individuelle Schicksal, dass Mitgefühl für die an ihren Fäden zappelnden Figuren und die Übersetzung der Darstellunsgweise in die Geschichte. In Cannes gab es dafür trotzdem die Palme für den besten Regisseur.

Wing

Üç Maymun. T/F/I 2008. R: Nuri Bilge Ceylan B: Nuri Bilge Ceylan, Ebru Ceylan, Erku Kesal D: Yavuz Bingöl, Hatice Aslan, Erku Kesal, Ahmet Rifat Sungar