DER ALTE AFFE ANGST

Nichts steht mehr

Wenn Beziehungen nur noch nerven ...

Oscar Roehlers Film ist ein Date-Movie der besonderen Art, denn im unausweichlichen Streit nach dem Kino kann man sich gleich richtig kennen lernen. Auch eingespielte Paare, denen es aus sich heraus schon schlecht genug miteinander geht, können auf therapeutische Effekte hoffen. Schließlich ist es immer schön zu sehen, wie viel schlechter es Anderen ergehen kann.
Robert (André Hennicke) und Marie (Marie Bäumer) lieben sich. Soviel steht fest. Nur über das "Wie" können sie sich nicht so recht einigen. Beide sind neu in Berlin - der Stadt, in der sich eheähnliche Krisenszenarios immer noch am besten bebildern lassen. Sie ist Ärztin auf der Kinderkrebsstation, er Regisseur an einem Theater. In einer spärlich möblierten Großraumwohnung durchlebt das Paar seine sexuelle Krise. Robert kämpft mit Erektionsproblemen, und da helfen auch die schwarzen Dessous wenig, die Marie sich zur sexuellen Appetenzsteigerung überstreift. Nichts rührt sich im Schritt.
Irgendwie hat Robert das Gefühl, Liebe und Sex voneinander trennen zu müssen. Letzteres besorgt er sich immer öfter bei Prostituierten, und beides bespricht er mit seinem Therapeuten. Ohne sichtbaren Erfolg. Als Marie auf fast schon wundersame Weise schwanger wird, fliegen Roberts Bordellbesuche auf.
Schon in Silvester Countdown und Gierig hat Oscar Roehler die Selbstzerfleischungsprozesse junger Paare in der Spaßgesellschaft exzessiv durchbuchstabiert. In Der Alte Affe Angst ist die Party endgültig vorbei. Die Protagonisten sind älter, aber nicht unbedingt erwachsener geworden.
Roehlers Filme wollen nicht gefallen. Dass alle Die Unberührbare toll fanden und Roehler sogar dafür den Bundesfilmpreis bekam - das war in gewisser Weise ein Versehen. Roehler will nerven, und das kann er ziemlich gut. Auch Der Alte Affe Angst ist eine Herausforderung für das Publikum, aber nur manchmal - wenn die Dialoge in den unfreiwilligen Trash abrutschen - eine Zumutung.
Warum man sich das im Kino ansehen soll? Vielleicht weil in der Übertreibung oft erst die Wahrheit sichtbar wird. Weil Beziehungen eigentlich nur im Kino Komödien sind. Weil das, was Marie Bäumer und André Hennicke dort oben auf der Leinwand bis an die Grenze zur Lächerlichkeit ausleben, als Struktur in viel zu vielen Liebesbeziehungen angelegt ist. Und weil dies ein Film ist über den man streiten kann. Besonders über das unselige Ende, wenn die beiden sich an den Händen fassen und das tun, was sie - und das deutsche Kino - am besten können: sich um sich selbst drehen.

Martin Schwickert

D 2003 R&B: Oscar Roehler K: Hagen Bodganski D: Marie Bäumer, André Hennicke, Vadim Glowna