A.I.

Kitsch & Kälte

Steven Spielberg auf der Jagd nach der verlorenen Seele

Am Anfang ist David (Haley Joel Osment) nur ein tapferer Toaster, ein Haushalts-Robotor; entworfen, den kinderlosen Ehepaaren der Zukunft ein Wohlgefallen zu sein. Und mit einem Extra-Chip versehen, der irgendwie die einprogrammierten Gefühlsimulationen in echte Liebe verwandeln soll.

Dummerweise wurde er nur erfunden, weil dem Hauptwissenschaftler mal ein Sohn wegstarb, und geradezu fahrlässigerweise wird das erste Testmodell an ein Paar ausgeliefert, das täglich trauernd am Bett ihres im Koma liegenden Kindes sitzt.

Trotzdem: Ein hübsches erstes Drittel, wie sich der mechanische Ersatz-Bub ins Alltagsleben findet, wie eiskalt das Service-Hirn Familienriten einstudiert - und die Kamera eindrückliche Bilder für die seltsamen Begegnungen findet. Bis David freigeschaltet wird. Nur Haley Joels fast unbewegtes Gesicht muss da spielen, dass er von nun "Mammi immer richtig lieb hat", und es gelingt. Ohne diesen Jungen wäre das ganze Brimborium von Regie, Kamera, Musik und Effekten nur Lärm. Mit ihm ist schlimmster Kitsch bewegend.

Aber natürlich ist das Glück nicht von Dauer. Der "richtige" Sohn wird gesund, das Spielzeug wird schließlich mitten im Walde ausgesetzt.

Nun sucht der David-Automat die blaue Fee aus dem Märchen, und ständig halten uns "Boah"-Bilder davon ab, darüber nachzudenken, wie sinnvoll die Geschichte eigentlich ist. Wo kommen die vielen freilebenden Androiden her? Wie passen die bösen Roboterfänger im Wald in die Zukunfts-Gesellschaft, und was bringt den tobenden Mob davon ab, auch David in Stücke zu reissen? Oder wenigstens den High-Tech-Teddy, der als Kuschel-Totem mit altklugem Brummen hinter David hertrottet.

So wie später Sexbot Joe (Jude Law). Der ist irgendwie auf eigene Rechnung im Gefühlssimulations-Geschäft - mit extra Hardware, etwa eingebauter Schnulzen-Jukebox - und hat plötzlich eine tote Kundin am Plastikhals. Das ist eigentlich ein ganz anderer Film, aber im Grunde sehen wir ja auch ständig mindestens zwei auf einmal: Spielbergs ersten selbstgeschrieben seit 25 Jahren - und Stanley Kubricks über 20 Jahren hinweg nie fertig geschrieben: A.I. ist hochartifiziell zusammengebaut aus Kitsch und Kälte, Family Values und Fatalismus, Kassendenke und Kritik. Und Wizard of Oz.

Die Kritik kriegt einen Knick, wenn David, Teddy und Joe nach allerlei Abenteuern ans sprichwörtliche Ende der Welt aufbrechen, nach Manhattan. Das ist längst vom Meer überflutet, ein paar Hochhäuser ragen heraus, und mitten darin residiert Davids "Vater" (William Hurt), der nach seinem Modell die Großserie starten will. Bedrückende Bilder, aber Buzz Lightyear selig vor einem Regal seiner Ebenbilder war treffender.

David findet seine Fee: auf einem Rummelplatz unter Wasser. David friert, sie flehentlich anstierend, mit der nächsten Eiszeit ein. David wird von Ausserirdischen aufgetaut und dient als Datenquelle für das galaktische Human-Museum. David kriegt - na, sagen wir mal auf märchenhafte Weise - einen Tag als richtiger Junge geschenkt. Und wir hätten lieber ein Drittel des Dramas richtig erzählt gekriegt.

WING

USA 2001 R&B: Steven Spielberg. K: Janusz Kaminski, D: Haley Joel Osment, Jude Law, Frances O'Conner