ALEXANDER

Kumpel mit Vision
Oliver Stones Werbeprospekt für Ferienreisen

Ridley Scotts Gladiator kämpfte vor vier Jahren den Weg für die Reanimation des Sandalenfilms frei. In diesem Jahr folgte Petersens Troja, und gleich zwei Regisseure lieferten sich ein Wettrennen, um das Leben des mazedonischen Königs Alexander des Großen zu verfilmen. Der Sieger heißt Oliver Stone. Baz Luhrmann (Moulin Rouge), der Leonardo DiCaprio für die Titelrolle verpflichten wollte, legte sein Projekt für unbestimmte Zeit auf Eis.
Der irische Schauspieler Colin Farrell (Nicht auflegen) spielt den furchtlosen Eroberer, der durch mütterliche Karriereplanung an die Macht kommt. Anfang 20 ist Alexander als er mit seinen zahlenmäßig unterlegenen Kriegern gegen die Heerscharen des Persischen Reiches antritt - und gewinnt. Ostwärts zieht es ihn zum Hindukusch, bis nach Indien, an die Grenzen der damals bekannten Welt. Am Anfang warnt Aristoteles (Christopher Plummer) seinen aufmerksamen Schüler, dass sich schon viele Vorfahren bei ihrem Bestreben, den Osten zu erobern, selbst verloren haben.
Die Warnungen des griechischen Gelehrten hätte sich auch Regisseur Oliver Stone zu Herzen nehmen sollen. Drei Stunden mäandert der Film mit den bunten Heerscharen Alexanders durch die weite, weite Welt, durchquert staubige Wüsten, verschneite Gebirge und verschlungene Urwälder und kommt doch nie so richtig auf den Punkt. Die Frage, was den begnadeten Feldherren antreibt, wird allenfalls vage beantwortet. Flüchtet er vor der Dominanz seiner Mutter (Angelina Jolie) und vor der Mitschuld am Tod des Vaters (Val Kilmer)? Ist es die Neugier des Entdeckers, die ihn antreibt, oder auch der Blutdurst des Kriegers? Vermutungen werden angeklickt und verlieren sich wieder in spektakulären Reisebeschreibungen, die im Zeitalter des globalen Billigfliegertourismus weniger Reiz entfalten als beabsichtigt.
Stones Porträt des Eroberers bleibt überraschend unkritisch. Mag sein, dass es Alexander nicht um die Unterwerfung anderer Völker, sondern um deren Einigung ging. Aber davon träumten schließlich andere Kriegstreiber der Weltgeschichte. Die Frage, was mit denen passierte, die sich nicht ins große Herz eines Imperiums einordnen wollten, bleibt weitgehend ausgeblendet.
Großen Rummel gab es vorab darum, wie die verbriefte Bisexualität Alexanders und seiner Mannen dargestellt werden soll. Stone gibt sich große Mühe, einen entspannten Umgang mit dem sexuellen Lifestyle jener Jahre zu finden. Vor einer schwulen Sexszene schreckt jedoch auch er zurück. Es bleibt bei feurigen Blicken und kraftvoll-kumpelhaften Umarmungen.

Martin Schwickert
USA/GB/NL 2004 R: Oliver Stone B: Oliber Stone, Christopher Kyle, Laeta Kalogridis K: Rodrigo Prieto D: Colin Farrell, Angelina Jolie, Val Kilmer