Alois Nebel

Starke Kontraste

Ein Animationsfilm über ein kompliziertes Kapitel der deutsch-tschechischen Geschichte

Der Ort ist die Tschechoslowakei nahe der deutschen Grenze. Die Zeit ist Herbst 1989, der Zusammenbruch des Ostblocks ist überall spürbar. Die russische Armee plündert die eigenen Lager und betreibt Schwarzhandel mit Kleingaunern vor Ort. Und der schweigsame Stationsvorsteher Alois Nebel wird in die Psychiatrie eingeliefert, weil er immer wieder seltsame Visionen hat.

Zu sagen, dass in dem Animationsfilm von Tomás Lunák wenig geschieht, wäre eine kräftige Untertreibung. In kargen Schwarzweißbildern erzeugt Alois Nebel vor allem Atmosphäre, Stimmungen, stellt die Figuren vor, von denen wir nur ahnen, in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Etwa nach der Hälfte des Films entwickelt sich dann tatsächlich eine erkennbare Geschichte, die bis nach 1945 zurückreicht und etwas mit der "Vertreibung" der Deutschen aus dem tschechischen Sudetenland zu tun hat.

Es erstaunt der unkritische Blick des tschechischen Films, der sich vorbehaltlos auf die deutsche Seite stellt und die damalige "Vertreibung" nicht nur als Unrecht darstellt, sondern für ein paar Augenblicke sogar eine optische Analogie zu den Auschwitz-Transporten der Nazis herstellt: In einem Waggon zusammengepfercht, warten die Deutschen darauf, außer Landes geschafft zu werden.

Formal gehört der mit diversen Preisen bedachte Film sicherlich zu den interessanteren Werken. Die sich schleppend entwickelnde Story und die poetisch verbrämte, letztlich unkritische Herangehensweise machen Alois Nebel eher zu einem Ärgernis.

Der dreiteilige Comic (der hier als Vorlage diente) hat übrigens wenig mit dem Film zu tun, der die Geschichte arg verkürzte und der vor allem durch sein Rotoskopieverfahren einen unangenehmen Realismusanspruch verbreitet, den er inhaltlich nicht einlösen kann.

Thomas Friedrich

Tschechien/D 2011 R: Tomás Lunák B: Jaroslav Rudis, Jaromír Svejdík K: Baset Jan Strítezsk² D: Miroslav Krobot, Marie Ludviková, Karel Roden. 84 Min.