ALTIPLANO

Dünne Luft & blinde Bilder

Jasmin Tabatabai im Hochland der Anden

Ohne Bilder gibt es keine Geschichte", sagt die dritte Madonna (Magaly Solier) gegen Ende. Dann geht sie malerisch kaputt, weil in diesem Film die Bilder die Geschichte ersetzen.

Gleich in den ersten Bildern geht eine richtige Madonna kaputt. Eine heilige Gipsfigur zerbricht, weil ihre Träger sie fallen lassen, was wiederum nur passieren konnte, weil die Kinder des Dorfes hoch in den Anden mitten aus einer kirchlichen Zeremonie weglaufen, angezogen von Pfützen silbriger Flüssigkeit, die überall auftauchen. Außerdem stehen noch ureinwohnermythisch kostümierte Gestalten herum, die das langsam anlaufende Drama zum Maskenspiel erklären, das man nicht unbedingt verstehen muss. Schließlich soll es um mehr gehen als bloß die tödliche Quecksilbervergiftung im Altiplano, dem Hochland von Peru, einem Bergwerksgebiet.

Madonna Nummer zwei (Jasmin Tabatabai) steht irgendwo bei Bagdad mit einem Messer an der Kehle. Sie wird von den Einheimischen ganz ohne religiöse Symbolik gezwungen, ein Foto davon zu machen, wie sie einen Fotoassistenten erschießen. Später kriegt die Journalistin wegen des Fotos einen Preis und Schlafstörungen. Noch später reist sie nach Peru, denn dort ist ihr Mann umgekommen, der sie per Videomails über das Elend im Altiplano unterrichtete.

Dort wiederum klebt ein blinder Handwerker die Scherben der Gipsfigur allmählich wieder zusammen, immer mehr Dorfbewohner kriegen Augenschäden vom Quecksilber, und Madonna Nummer drei, die schönste Frau des Dorfes, bemüht sich, zwischen all der metaphorischen Bedeutungshuberei einfach nur ihren Liebsten zu heiraten. Leider stirbt auch der.

Und leider verlaufen sich die Regisseure ziellos zwischen allzuviel Anspruch, Ausdruckswille und Analogelei. Dass Umweltzerstörung blind macht, ist zwar kein schlechtes Bild, aber ständig auf Fotos und Videos herumzureiten nimmt ihm jede Erkenntniskraft. Dass eine zerstörte Frauenstatue zwei zerstörte Frauen beinahe zusammenbringt, ist auch fast eine Geschichte, aber alle drei so penetrant symbolisch zu behandeln, nimmt die Bodenhaftung weg, die Altiplano in den besten Momenten auszeichnet.

Wing

B / D / NL 2009 R + B: Peter Brosens, Jessica Hope Woodworth K: Francisco Gózon D: Jasmin Tabatabai, Magaly Solier, Olivier Gourmet, Behi Djanati Atai