ALT, NEU, GELIEHEN, BLAU


Die Chaos-Frau

Eine dänische Hochzeit

Gerne werfen wir die ganzen romantic comedies auf den Müll, mit denen Hollywood in den letzten Jahren die Kinos verstopft hat und schauen uns die dänische Version einer Hochzeitskomödie an.
Das Setting ist wie gehabt: Katrine (Sidse Babett Knudsen) will heiraten und zwar morgen. Der Zukünftige (Sören Byder) ist ein ganz Netter und auch ein bisschen langweilig. Dann taucht der Ehemalige aus der Versenkung auf, bringt die Gefühle durcheinander und fordert einen emotionalen Showdown vor dem Traualtar heraus.
Wie man mit einer solchen Standardrezeptur frisch und frei umgehen kann, zeigt Natasha Artthys Alt, neu, geliehen, blau. Denn Leuten wie Katrine begegnet man nur selten auf der Leinwand. So ganz normal daneben wie sie in ihrem Leben steht, als hätte sie es nur vorübergehend gemietet. Nach außen eine strahlende Frohnatur, die das desolate Innere jedoch nur unvollständig verbergen kann. Dinge zu tun, die man nicht tun sollte - das ist Katrines Spezialität. Zum Beispiel mit dem Geliebten der eigenen Schwester (Lotte Andersen) ins Bett zu gehen, was den Mann ins afrikanische Exil getrieben und die Schwester in die psychiatrische Anstalt gebracht hat. Das ist schon ein paar Jahre her, aber Katrine hat es geschafft, die verhängnisvolle Affäre vor ihrer Schwester geheim zu halten. Denn der Konfrontation mit unangenehmen Wahrheiten geht Katrine systematisch aus dem Weg, und so wird ihr Leben langsam von einem Geflecht aus Notlügen überwuchert.
Am Tag vor der Hochzeit kommt es zum Kollaps. Der Ex-Lover (Björn Kjellman) kehrt aus Afrika zurück, verwüstet die voreheliche Einbauküche, verleitet zu übermäßigem Alkoholkonsum und bringt das Chaos zurück ins Leben. Dass sich der weit gereiste Frauenheld möglicherweise einen HIV-Virus eingefangen hat, auch das ist wieder so eine unangenehme Wahrheit, mit der Katrine nicht umgehen kann.
Alt, neu, geliehen, blau (der Titel beruht auf einem dänischen Brauch, dass man zur Hochzeit etwas Altes, Neues, Geliehenes und Blaues mitbringen soll) trägt das Siegel der dänischen DOGMA-Veteranen und zeigt, dass das Keuschheitsgelübde immer neue Jünger anzieht, die sich vom filmindustriellen Ballast befreien wollen.
Natasha Artthys lebensnahe Komödie funktioniert trotz aller Genreturbulenzen nicht als Pointenabschussrampe, sondern interessiert sich mehr für die Tragikomik, die sich aus der menschlicher Inkonsequenz entwickelt.
Das Drehbuch stammt von Kim Fupz Aakeson, der schon in Kleine Missgeschicke und Okay sein Faible für vollkommen unvollkommene Helden bewiesen hat. Katrine ist sicherlich der Prototyp in diesem Universum und einer Figur, die so viel falsch machen muss, sei ein ordentliches Happy End vergönnt.

Martin Schwickert
DK 2003 R:Natasha Arthy B: Kim Fupz Aakeson K: Rasmus Videbyk D: Sidse Babett Knudsen, Björn Kjellman, Lotte Andersen, Sören Byder