AM ENDE KOMMEN TOURISTEN

Erinnern und vergessen

Ein Zivi und ein Auschwitzüberlebender reden aneinander vorbei

Eigentlich wollte Sven (Alexander Fehling) seinen Zivildienststelle in einem Jugendzentrum in Amsterdam ableisten, aber schließlich ist er in einer Begegnungsstätte neben dem ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz gelandet. Hier soll er sich hauptsächlich um den ehemaligen Lagergefangenen Stanislaw Krzeminski (Ryszard Ronczewski) "kümmern". In seiner Werkstatt restauriert der alte Mann jene Koffer, die den Häftlingen bei der Selektion abgenommen wurden. Nur schwer kommt der junge, unerfahrene Zivi an den verschlossenen alten Mann heran, der in den Erinnerungsbetrieb der Gedenkstätte nicht mehr so recht hineinpassen will: Wenn der Holocaust-Überlebende vor jugendlichen Zuhörern von den Grauen des KZs berichtet, schaut die Kamera in leere, ausdruckslose Gesichter. Dass man die eintätowierte Lagernummer auf seinem Arm nicht mehr genau erkennt, ist für die Lehrlinge aus Deutschland eine herbe Enttäuschung.
Direkt neben dem ehemaligen KZ liegt die Kleinstadt Oswiecim, in der der kriselnde, postsozialistische Alltag regiert. Sven verliebt sich in die Museumführerin Ania (Barbara Wysocka), die davon träumt endlich rauszukommen aus Oswiecim und aus Polen.
In Am Ende kommen Touristen zeichnet Robert Thalheim (Netto) ein gezielt widersprüchliches Bild der Erinnerungskultur. Aus dem Blick des unbedarften Zivildienstleistenden sehen wir die oftmals leeren Rituale des Gedenkens und die fast unüberbrückbare Erfahrungskluft, die zwischen den Holocaust-Überlebenden und jugendlichen Besuchern liegt.
Dass Thalheim sich auf die Erzählperspektive des Zivis festgelegt hat, wirkt an einigen Stellen oftmals unbefriedigend, weil man gerne mehr über den ehemaligen Gefangenen erfahren würde, der von Ryszard Ronczewski sehr eindringlich dargestellt wird.

Martin Schwickert

D 2007 R&B: Robert Thalheim K: Yoliswa Gärtig D: Alexander Fehling, Ryszard Ronczewski, Barbara Wysocka , 85 Min.


Das Interview zum Film