»AMORE, AMORE«

Ach, Italien

Notgeile Italiener, Ballerman 6 aus der Toskana

Der italienische Film hat seine Blütezeit längst hinter sich gelassen, und nur noch selten passiert es, daß eine einheimische Produktion die US-Blockbuster-Konkurrenz auf die Plätze verweist. Leonardo Pieraccionis Komödie Il Cyclone (dt.: Amore, Amore) hat den Sprung ganz nach oben in die italienischen Kinocharts geschafft und kommt jetzt als Humor-Export auch in die deutschen Kinos.
Levante Quarini regelt als Buchhalter fast alle finanziellen Geschäfte des Örtchens. Mit seinem heißgeliebten Mofa fährt er die illustre Schar der Dorfprominenz ab: die Tabakladenbesitzerin mit schauspielerischen Ambitionen, der notgeile, zotenreißende Automechaniker, der allwissende Obsthändler, der obligatorische Dorfdepp, die frustrierte unverheiratete Kellnerin - im engen Sozialgefüge scheinen alle ihre klar definierten Funktionen zu haben. Zu Hause lebt Levante mit Vater, Bruder, Schwester das fröhliche, geregelte Landleben, mit pünktlichen Terminen zur Nahrungsaufnahme und ruhigen grillenzirpenden Abenden. Natürlich sind die Familienmitglieder - damit's so richtig witzig wird - mit allerlei Marotten ausgestattet: Der debil wirkende Bruder Libero begibt sich als Freizeitmaler auf die Suche nach Gott. Vater Quarini ist die Rolle des liebenswürdigen Patriarchen zugedacht. Schwester Selvaggia bestellt die Hauswirtschaft, und während man sich noch wundert, daß eine Frau in einem italienischen Film kurze Haare und Latzhose trägt, erfährt man schon, daß Schwesterchen lesbisch ist und mit der schönen Apothekerin ein Verhältnis hat.
Der italienische Wirbelsturm fällt in Form einer spanischen Flamencogruppe über das Dorfidyll her. Ein Kleinbus verirrt sich auf der Suche nach dem Hotel auf den Bauernhof der Familie, und als die vier langbeinigen Tänzerinnen aus dem Bus steigen, fällt den Quarinis kollektiv die Kinnlade herunter. Die spanischen Model-Schönheiten drappieren sich schlafenderweise im Garten, tanzen am Morgen noch vor dem Zähneputzen temperamentvoll Flamenco auf der Veranda, und das sexuelle Appetenzverhalten des ganzen Dorfes wird von soviel exotischer Sinnlichkeit angeregt.
Der Rest des Films dreht sich um das Balzverhalten und die Konflikte, die sich daraus ergeben. Die pseudo-turbulenten Verwicklungen sind allesamt vorhersehbar, in der Dramaturgie knirscht es ganz gewaltig, und mehrmals wird die Chance vertan, die Story ihrem verdienten Ende zuzführen.
In der Art des Humors werden regionale Mentalitätsunterschiede oft am deutlichsten. Ein Film wie Ballermann 6 stößt in Frankreich auf feinsinniges Unverständnis und wird alle Vorurteile von schenkelklopfendem deutschen Humor bestätigen. Ähnlich verhält es sich mit Il Cyclone , dessen Erfolg nicht gerade ein vorteilhaftes Licht auf die Gemütsverfassung des italienischen Publikums wirft.

Martin Schwickert