»ANACONDA«

Würg ihn!

Jon Voight auf Schlangenjagd

Der Anthropologe Steven Cale (Eric Stoltz) macht sich, begleitet von einem Dokumentarfilmtrupp, auf die Suche nach einem von der Zivilisation unberührten Indianerstamm. Auf einem maroden Dampfer schippern sie durch den Urwald, bestaunen arglos das üppige Grün und lauschen dem Geschrei der Wollaffen. Die Chefin des Filmteams Teri Flores (Jennifer Lopez - Blood and Wine ) bürstet auf dem sonnigen Deck ihr Haar, Kameramann Danny (Ice Cube himself) wirft eine Hip-Hop-CD in den Ghettoblaster, und der eitle Kommentator Warren Westridge (Jonathan Hyde) probiert seine neuen Golfschläger aus. Ein Hauch von Fitzcaraldo liegt über der Szenerie. Nur Kapitän Mateo (Vincent Castellanos) schaut verheißungsvoll finster drein.
Das Unheil kommt an Bord als die Crew den Schlangenjäger Paul Sarone (Jon Voight) von seinem manövrierunfähigen Boot aufliest. Mit seinem prägnanten Spiel gibt Jon Voight diesem Film den entscheidenden Kick. Verschwitztes T-Shirt, gefährlich blinzelnder Blick und die Mundwinkel tief heruntergezogen wie nach einer Überdosis Magenbitter präsentiert sich Aspahlt-Cowboy Voight als sinistrer Dschungeljäger und gleichzeitig als angenehm überzogene Karikatur eines Bösewichtes. Mit scharfer Klinge zerteilt er den noch zappelnden Fisch und rettet wenig später Dr. Cale mit einem Luftröhrenschnitt chirurgischer Güte das Leben. Sarone trägt alle Züge eines Besessenen, und das Objekt seiner Begierde ist eine Riesenanaconda, die in diesem abgelegenen Teil des Dschungels ihr Unwesen treibt. Sarone benutzt das Filmteam als Köder und lenkt das Boot direkt in das Revier des Monsters, schon bald gilt es nur noch die tricktechnischen Darbietungen zu bewundern und Wetten darüber abzuschließen, wer als erster von der Würgeschlange verspeist wird.
Walt Conti, der schon das Animationsmodell von Free Willy ins Wasser ließ, hat mit viel Liebe ein durchaus ansehnliches Riesenreptil zusammengebastelt. Besonders imposant ist die fleischige Gaumen- und Rachenpartie der Killerschlange, auf die die Kamera oft und gerne den Blick freigibt. Computeranimiert schießt die Anaconda durch das Bild, windet sich um verdiente Protagonisten, quetscht sie aus, schlingt sie in sich hinein und würgt sie wenig später halbverdaut wieder heraus. Nicht daß das Ganze besonders realistisch aussehen würde - der Charme dieser Szenen besteht eher in dem Godzilla-Effekt, darin daß die Bilder nie so echt aussehen, wie sie es gerne wollen. Anaconda hat den B-Movie-Esprit, der darin besteht, daß hier soviel Aufwand, soviel Geld, soviel Mühe, soviel sichtbarer Schweiß in die Herstellung von soviel geballtem Unsinn investiert wurde - und genau das ist doch das Schöne am Kino.

Martin Schwickert