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Der lange Abschied

Julie Christie verliert langsam das Gedächtnis, aber nicht die Erinnerung an Liebe

Grant ist ein alter Mann, Fiona ist eine alte Frau. Beide sind seit fast 50 Jahren verheiratet und lieben sich sehr. Was macht es da schon, dass Fiona (Julie Christie) manchmal nach dem Spülen die Pfanne in den Kühlschrank räumt? Grant (Gordon Pinsent) schaut geduldig zu, sortiert den Haushalt schweigend richtig und erinnert sich, wie glücklich sie beide waren.
Nur wenige Rückblenden beschwören die junge Fiona in Grants Kopf, viel häufiger unterbrechen Vorausblenden den Gedächntisverfall Fionas. Wir sehen, wie Grant, möglicherweise, einen neuen Weg findet. Noch häufiger stehen wir im klaren Licht des kanadischen Winters, sehen viel Schnee, der alles verdeckt, und parallele Skispuren, die das Ehepaar in die Landschaft zog, als es Fiona noch besser ging.
Sie ist an Alzheimer erkrankt und findet sich mit selbstironischer Würde in ihr Schicksal. Sie weist sich selbst in ein Heim ein, sie schickt ihren Mann fort, damit er sie nicht weinen sieht. Aber sie gibt ihm auch mit, dass es Dinge in der Ehe gab, die sie gern vergessen würde. Hatte Grant wirklich Affären, war er zu mutlos, deshalb die Ehe zu verlassen, oder liebte er Fiona zu sehr, als dass sie ihn dafür hätte wegschicken können?
Einen Monat darf Grant Fiona nicht besuchen, so sehen es die Heim-Regeln vor. Danach erkennt sie ihn nur noch als Bekannten, dessen Aufmerksamkeit sie freut, der aber auch eine neue Beziehung zu einem fast katatonischen Heiminsassen stört. Als dessen Frau (Olympia Dukakis) ihn zum Pflegen nach Hause holt, zerbricht Fiona. Und Grant sieht nur noch eine Chance, Fiona glücklich zu machen. Ihr Freund muss wieder ins Heim, dessen Frau muss zurück ins Leben.
Die kanadische Schauspielerin Sarah Polley hat (mit Atom Egoyan als Produzent) einen überzeugenden Debütfilm gedreht, der mehr von Liebe und Hingabe handelt als von Alzheimer. Die Krankheit ist ein Mittel, um zwei kluge Figuren und zwei einnehmend zurückhaltende Schauspieler intensive Fragen stellen zu lassen, ohne sie auszusprechen. Es gibt keinen billigen Früher-Kitsch und keine einfache Neues-Leben-Lösung. Fiona könnte in lichten Momenten gar geplant haben, ihren Mann zu seinem Glück zu zwingen. Und Grant wird Fiona ganz sicher noch lange besuchen.

WING

Away from her. Kanada 2006 R&B: Sarah Polley nach einer Kurzgeschichte von Alice Munro, K: Luc Montpellier D: Julie Christie, Gordon Pinsent, Olympia Dukakis