ANTARES

Episoden der Liebe
Ein österreichischer Film über Lust und Lüge

Das österreichische Kino fühlt sich seit ein paar Jahren pudelwohl im heimischen Subproletariat. Die Filmemacher schauen den Leuten aufs Maul, drehen der schicken Wiener Innenstadt den Rücken zu und stöbern in der sozialen Tristesse der betonierten Randbezirke.
Der österreichische Film hat eine gewisse Gnadenlosigkeit, mit der auf die Verhältnisse und die Menschen im Land geblickt wird.
Götz Spielmanns Antares - Studien der Liebe bildet da keine Ausnahme. In locker miteinander verbundenen Episoden erzählt Spielmann von drei Paarbeziehung in einer gesichtlosen Wiener Vorstadtsiedlung.
Die Krankenschwester Eva (Petra Morzé) beginnt eine leidenschaftliche Hotelzimmer-Affäre mit einem flüchtigen Bekannten (Andreas Patton), in der sie ihre geheimen sexuellen Fantasien auslebt. Fast wortlos kommunizieren die beiden Körper miteinander, während Eva ihre Ehe mit plappernder Sprachlosigkeit durch den Alltag laviert.
Anders sind die Gewichte bei der Kassiererin Sonja (Susanne Wuest) und dem Plakatierer Marco (Dennis Cubic) verteilt.
Sonja gibt vor, schwanger zu sein, um ihren flatterhaften Geliebten an sich zu binden. Marco beschwört ihre Liebe und schleicht sich, wenn er nachts mit dem Hund Gassi geht, heimlich zu einer Nachbarin ins Bett. Nach der Trennung von ihrem gewalttätigen Ehemann sucht Nicole (Martina Zinner) mit Marco eher nach Zerstreuung als nach einem Neuanfang.
Der Ex-Mann Alex (Andreas Kiendl) steht immer wieder vor der Tür, um den gemeinsamen Sohn zu sehen und sich Nicole aufzudrängen. Großspurig kreuzt der frustrierte Immobilienmakler - ohne eigenen Wohnsitz - mit seinem Cabriolet durch die Stadt und beschimpft die Prostituierten am Straßenrand.
Kunstvoll verbindet Spielmann die drei Geschichten, indem er die Zeit zurückfährt und die Ereignisse aus einer neuen Perspektive erzählt. Die Linien kreuzen und verwickeln sich und treiben gelassen zum dramatischen Finale.
Spielmanns Blick auf seine unvollkommenen Helden ist von unnachgiebiger Genauigkeit und ironischer Sympathie geprägt. Er stellt seine Figuren nicht bloß, auch dann nicht, wenn sie in expliziten Sexszenen nackt vor der Kamera stehen. Er lenkt den Blick auf das Machtgefüge in den Beziehungen, auf die Auswirkungen von Lust, Lüge und Zurückweisung.

Martin Schwickert
Ö 2004 R&B: Götz Spielmann K: Martin Gschlacht D: Petra Morzé, Susanne Wuest, Andreas Kiendl