ANTIKÖRPER

Klangvolle Leere
Wenn deutsche Lämmer zu viel schweigen..

Der Serienkillerfilm gehört im deutschen Kino zu den vernachlässigten Genres. Während in Hollywood ganz unbekümmert gemordet und geschlachtet wird, tut man sich in Deutschland immer noch etwas schwer mit filmischen Horror- und Blutbad-Inszenierungen. Filme wie Anatomie oder Tattoo sehen im besten Fall aus wie ein Tatort auf Koks und in Cinemascope.
In seinem Kinodebüt Antikörper versucht sich Christian Alvart nun an einem deutschen Reload von Das Schweigen der Lämmer. "Wen hast du erwartet? Hannibal Lector?", fragt der Kindermörder Gabriel Engel (André Hennicke). Die ironische Referenz kann nicht darüber hinweg täuschen, dass sich Alvart mehr als großzügig bei Jonathan Demme bedient hat. Auch hier geht es um einen mit allen Wassern gewaschenen Psychopathen, der eine unschuldige Polizistenseele auf die Seite des Bösen zu ziehen versucht.
Der Film beginnt mit der Festnahme des 14fachen Kindermörders, der in seiner Wohnung aus dem Blut seiner Opfer bizarre Gemälde fertigt und einem herannahenden Sondereinsatzkommando mit einem Sprung vom Dach zu entkommen sucht. Querschnittsgelähmt sitzt der Täter hernach hinter Gittern und verweigert konsequent das Gespräch mit den BKA-Beamten. Der Provinzpolizist Michael Martens (Wotan Wilke Möhring) reist nach Berlin um herauszufinden, ob ein Sexualverbrechen in seinem Dorf auch auf Engels Konto geht. Wenn zweifelsfrei feststeht, dass keiner der Bewohner den Mord begangen hat, so hofft Martens, kann sein Heimatort wieder zur Ruhe kommen. Tatsächlich beginnt Engel mit ihm zu sprechen. Martens sonnt sich gegenüber den Berliner Kollegen in seinem Erfolg und merkt viel zu spät, dass der gewiefte Serienkiller ihn längst in seine perfiden Intrigen eingesponnen hat.
Antikörper entwirft ein Machtkampfszenario zwischen Polizist und Mörder, das nur in einzelnen Details, aber nicht in seiner grundlegenden Plotstruktur für Überraschungen sorgt. André Hennicke ist ein Kinderschänder von durchaus glaubhafter Widerlichkeit, aber die Idee, den Mann in einen Rollstuhl zu stecken und damit seiner Körpersprache zu berauben, erweist sich als kontraproduktiv. Wotan Wilke Möhring hingegen scheint von der Intensität des angestrebten Psychodramas etwas überfordert zu sein, was vor allem an den gestelzt bedeutungsvollen Dialoggefechten liegt. Klangvolle Leere macht sich im Drehbuch breit, und der ständige Szenenwechsel zwischen kalten Berliner Stadtlandschaften und trügerischer Landidylle nimmt der Geschichte die erzählerische Intensität.
An stilistischem Selbstbewusstsein fehlt es Alvart nicht. Die Bilder von Kameramann Hagen Bogdanski streben nach einer atmosphärischen Dichte, mit der die aufgeblasene Geschichte jedoch wenig anzufangen weiß. Vielleicht hätte sich Alvart weniger an den Genrevorlagen festhalten und eine eigene Story mit mehr Herzblut und weniger Kunstblut entwickeln sollen.

Martin Schwickert
D 2005 R&B: Christian Alvart K: Hagen Bogdanski D: André Hennicke, Wotan Wilke Möhring