»DER APOSTEL«

Pures Amerika

Robert Duvalls erste Regiearbeit.

Über zehn Jahre rannte Robert Duvall mit seiner Idee zu dem Film Der Apostel gegen verschlossene (Studio-)Türen, bis er sich dazu entschloß, das Projekt selbst zu realisieren. Die Skepsis der großen Studios scheint verständlich, denn trotz seiner ur-amerikanischen Motive (Wanderprediger zieht nach Louisiana, um dort ein neues Leben zu beginnen) erzählt der Film seine Geschichte eher europäisch: Der Handlungsverlauf folgt mehr der Entwicklung der Hauptfigur als vorhersehbaren Drehbuchrezepten, die Darsteller haben viel Freiraum zum Improvisieren (und für eine gelungene schauspielerische Leistung nimmt der Film sogar unscharfe Bilder in Kauf), Licht und Kameraführung sind unaufwendig, oft beinahe dokumentarisch, und auch die Filmmusik ist frei vom üblichen Hollywood-Pathos und beschränkt sich auf begleitende Cajun-Klänge, die immer zur Szene gehörig erscheinen - kurz: der Film scheint stark von Neorealismus und "cinema verité" beeinflußt zu sein.de r Wanderprediger Euliss "Sonny" Dewey (Robert Duvall), der sich selbst "Der Apostel" nennt, wird dem Zuschauer mit all seinen Widersprüchlichkeiten vorgestellt: Sein Privatleben ist zerrüttet, er versucht das zu kompensieren, indem er wie manisch alle Menschen zum Glauben bekehren will. Sonnys scheinbar so selbstlose Taten dienen in Wirklichkeit einem egoistischen und selbstgerechten Zweck.
Es ist eine der großen Qualitäten des Films, daß er dieses Verhalten weder moralisch bewertet noch zu erklären versucht. Sonny kann einfach sein exaltiertes, pathetisches Auftreten auch im Privatleben nicht abschalten, was seine permanente Fröhlichkeit aufgesetzt und verkrampft wirken läßt. Diese Aspekte bringt Robert Duvall als Schauspieler meisterhaft zum Ausdruck, und auch als Regisseur gelingen ihm einige Szenen von beklemmender Intensität. Leider häufen sich gegen Ende des sowohl über- als auch eindeutig zu langen Films Szenen, die die Handlung auf der Stelle treten lassen. Der Apostel ist nicht das Meisterwerk, das man nach s einer Entstehungsgeschichte erwartet hätte, in jedem Fall aber ein auß ergewöhnlicher Film.

Julian Tyrasa