»COLD COMFORT FARM«

Dumme Bauern

Die fällige Satire über das idyllische Landleben

Ich habe etwas schreckliches im Holzschuppen gesehen" - dieser Satz wird einem auf ewig im Gedächnis bleiben. Zu Beginn von John Schlesingers Cold Comfort Farm wälzt sich eine alte Frau von Alpträumen geplagt im Bett und brüllt dieses unheilverheißende Wortgefüge heraus. Man vermutet ein frühkindliches Trauma, das im folgenden Filmverlauf aufgelöst oder zumindest erklärt wird. Die alte Frau wird diesen Satz wiederholen. Immer und immer wieder, bis feststeht, daß wir nie erfahren werden, was nun damals im Holzschuppen vorgefallen ist. Die Alte weiß es wahrscheinlich selbst nicht, es ist auch egal, denn inzwischen sind wir mittendrin in einer Groteske, in der es um viel geht, am wenigsten jedoch um sinnstiftende Logik.
Nach dem Tod ihrer Eltern droht der 19jährigen Flora Poste (Kate Beckinsale), die sich bisher sorgenlos in der besseren Gesellschaft im London der 30er Jahre tummelte, plötzliche Verarmung. "Arbeiten?" mit soviel entschlossener Empörung spricht Flora dieses gräßliche Wort aus. Nein, arbeiten kommt nicht in Frage. Flora hat andere Pläne. Sie möchte Schriftstellerin werden und mit 51 Jahren einen Roman schreiben, der so gut ist wie Jane Austens "Persuation". Nur moderner eben. Bis es soweit ist, will die werdende Autorin Erfahrungen sammeln und ihren Verwandten auf der Tasche liegen. Jedoch niemand in der weit verzweigten Sippschaft ist bereit, Flora aufzunehmen außer den Strakadders im ländlichen Sussex. Voller Elan bricht Flora auf, um das pralle Landleben kennenzulernen. Die Cold Comfort Farm der Starkadders ist ein gründlich heruntergekommenes Landgut. Die Kühe geben keine Milch. Die Saat verfault in der Erde. Ein Fluch liegt über dem Land und verflucht schlecht und restlos verdreckt sehen auch die aus, die es bewirtschaften.
Die britische Autorin Stella Gibbons, deren 1932 erschienener Roman hier für die Leinwand adaptiert wurde, verstand Cold Comfort Farm als Parodie auf die schwülstige Blut- und Bodenromantik in der englischen Literatur der 30er Jahre. Und so wirken die Figuren, die die Cold Comfort Farm beherbergt, wie Abziehbilder von den überzogenen Projektionen, mit denen Städter gerne das Landleben verklären. Potenzstrotzende Kerle, bodenständige Männer, bärtige Dorftrottel, fanatische Prediger, vor sich hin dichtende elfenhafte Naturkinder, hexenähnliche unheilverkündende Wahrsagerinnen und eine alte Matriarchin, die das Zimmer nie verläßt, weil sie damals eben etwas Schreckliches im Holzschuppen gesehen hat und daraus den Herrschaftsanspruch für die Farm ableitet. Dazwischen Flora mit ihrem reinen weißen Teint, die sich von der schwermütigen Landhaus-Mystik gar nicht erst irritieren läßt. Sie wirbelt solange im schicksalhaften Chaos der Starkadders herum, bis sie auch den letzten der sinistren Farmbewohner mit den Errungenschaften der moderenen Welt vertraut gemacht hat.
Genußvoll arbeitet sich Cold Comfort Farm an seinem skurilen Figurenarsenal ab. Dabei entsteht eine angenehm schräge Komödie, die ständig aus dem Ruder zu laufen scheint und immer wieder überraschende Wege einschlägt. Mit Cold Comfort Farm ist dem Regieroutinier John Schlesinger ein originelles Kabinett-Stückchen gelungen, das sich den Komödien-Kategorisierungen erfolgreich entzieht. Und auch wenn die BBC-Produktion hierzulande erst mit drei Jahren Verspätung auf die Leinwand kommt, ist Cold Comfort Farm mit seinem wunderbar verdreckten Kostümfilm-Szenario einfach die passende Genre-Antwort auf das blütenweiße Spitzendeckchen-Geplapper in den Jane-Austen-Verfilmungen der letzten Jahre.

Martin Schwickert