The Artist

Ohne Worte

Eine kunstvolle und amüsante Verbeugung vor den Gründerjahren des Kinos

In Zeiten, in denen uns Flugsaurier dreidimensional auf der Nase herumtanzen, uns der Atem des Helden im THX-Sound direkt ins Ohr geht und zu viele Worte um zu wenig Gefühle gemacht werden - da ist Michel Hazanavicius' The Artist genau das richtige Gegengift. Der französische Filmemacher reist weit zurück in die Gründerjahre des Kinos, als die Tonspur noch nicht erfunden war, das gesprochene Wort in einigen wenigen Titeleinblendungen eine untergeordnete Rolle spielte und die Sprache von Körper, Gesicht und Augen Emotionen transportierte, die durch die Musik aus dem Orchestergraben verstärkt wurden. The Artist erzählt die Geschichte des gefeierten Stummfilmstars George Valentin (Jean Dujardin), der 1927 auf dem Höhepunkt seiner Karriere ist. Mit dem glatt zurückgekämmten Haar, dem dünnen Schnauzbart, den funkelnden Augen und einem selbstverliebten Lächeln erobert er das Publikum, und auch die junge Peppy Miller (Bérénice Bejo) gehört zu Valentins eingeschworenen Fans. Zunächst als Autogrammjägerin vor dem Kino und wenig später als Statistin am Set, gewinnt sie das Herz des Herzensbrechers, der ein verheirateter Mann ist und die Angelegenheit nicht über einen Flirt hinauswachsen lässt.

Als 1929 der Tonfilm eingeführt wird, hält Valentin die grundlegende Veränderung des Kinos für eine vorübergehende Spinnerei. Aber das neue Medium verlangt neue Gesichter, und während die Karriere des Stummfilmmimen im Zuge der neuen Entwicklungen und der Wirtschaftskrise in rasantem Tempo den Bach runter geht, wird Peppy Miller zum aufsteigenden Star der neuen Ära.

Hazanavicius setzt die melodramatische Liebesgeschichte zwischen den beiden als Stummfilm in Szene, in schwarz-weiß und im Bildverhältnis 4:3. Mit sichtbarer Liebe zum filmhistorischen Detail werden hier die Stilmittel des Stummfilmkinos reanimiert, und es ist wirklich herzerfrischend, die großen Gesten und tiefen Blicke zu sehen, die sehr viel mehr zu sagen haben als so manche geschwätzigen Dialoge.

Jean Dujardin und Bérénice Bejo führen den nonverbalen Auftrag mit schauspielerischem Verve und unwiderstehlichem Charme aus. Mit großer Leichtigkeit tänzelt diese Produktion, die sich vor dem frühen Hollywoodkino verschmitzt verneigt, über die Leinwand. Aber hinter dieser Unbeschwertheit steckt eine künstlerische Perfektion, die weit über die Retro-Spielerei hinaus geht und The Artist zu einem wahrhaft cineastischen Sehvergnügen werden lässt.

Martin Schwickert

F 2011 R&B: Michel Hazanavicius K: Guillaume Schiffman D: Jean Dujardin, Bérénice Bejo, James Cromwell