A SINGLE MAN

Schwul und allein

Das Debut des Gucci-Stars Tom Ford verbindet Design und Gefühl

Single man" - den Ausdruck mit hochgezogenen Augenbrauen ausgesprochen - und jeder in den USA der frühen sechziger Jahre wusste, dass damit nicht ein überzeugter Junggeselle, sondern ein schwuler Mann gemeint war.

Aber auch die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs trifft auf George (Colin Firth) zu. Er ist im allerwahrsten Sinn des Wortes ein alleinstehender Mann. Acht Monate ist es her, dass sein langjähriger Geliebter (Matthew Goode) bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Der Schmerz wird nicht weniger. Die Trauer scheint alles Leben aus ihm herausgezogen zu haben. Mit unbewegtem Gesicht erledigt er seine morgendliche Routine, packt einen Revolver in die Aktentasche und macht sich frisch rasiert und gut gekleidet auf zur Universität, wo er Literatur unterrichtet. Es soll sein letzter Tag in diesem Leben sein, das keine Zukunft für ihn hat, weil es nur noch aus schmerzhaften Erinnerungen besteht. Akribisch bereitet George seinen Suizid vor, holt die Lebensversicherungspolice aus dem Bankschließfach ab und hinterlässt der Haushälterin ihr Gehalt und eine Abschiedsnotiz im Kühlschrank.

In die gründlichen Vorbereitungen auf den Tod streut das Leben seine Irritationen ein. Im Vortrag über Aldous Huxleys Nach vielen Sommern lässt George sich vor dem Seminar zu einem passionierten Exkurs über die Angst hinreißen. Ein junger, hübscher Student im Angorapullover verwickelt ihn in anregende Gespräche, die nicht nur literaturwissenschaftlichen Interessen folgen. Die Nachbarin lädt ihn überraschend zu einer Party ein. Vor der Tankstelle bietet im goldenen, kalifornischen Sonnenuntergang ein bildschöner Latin Lover seine Dienste an, und Freundin Charley (Julianne Moore) lässt bei einer Flasche Gin die guten, alten Zeiten hoch leben.

Mit seinem fulminanten Regiedebüt A Single Man adaptiert Tom Ford den schwulen Schlüsselroman der sechziger Jahre Der Einzelgänger von Christopher Isherwood. Ford hat sich bisher als Star-Designer in der Modebranche einen Namen gemacht und gilt als kreativer Retter des kriselnden Gucci-Imperiums.

Natürlich erkennt man die berufliche Vergangenheit des Regisseurs. Für eine tragische Geschichte sieht der Film verdammt gut aus. Ausstattung und Kostüme sind vom allerfeinsten Sixtie-Dekor durchdrungen. Kameramann Eduard Grau wartet mit stilsicherer Farbdramaturgie und erlesenen Bildkompositionen auf. Jede Einstellung ist von künstlerischer Präzision durchdrungen. Aber der Wille zum Design führt nicht zur Erstarrung der Geschichte, sondern verbindet sich fast traumsicher mit den großen Gefühlen, die verhandelt werden. Colin Firth ist großartig in der Rolle des schwulen Witwers, der fast an seiner Trauer erstickt und trotzdem seine Contenance wahrt. Dass die Einsamkeit der Figur nicht nur in dem persönlichen Verlust, sondern auch in der gesellschaftlichen Isolation des homophoben Mainstreams der frühen sechziger Jahre gründet, zeigt der Film deutlich, ohne daraus ein politisches Pamphlet formulieren zu wollen. Die kompromisslose Nähe, die Ford zu seinem todessehnsüchtigen Helden herstellt, wiegt mehr als alle Bekenntnisse.

Martin Schwickert

USA 2009 R: Tom Ford B:Tom Ford, David Scearce nach einem Roman von Christopher Isherwood K: Eduard Grau D: Colin Firth, Julianne Moore, Matthew Goode