Atmen

Arbeit am Sarg

Ein Knastfreigänger entdeckt sein Leben

Der Sozialarbeiter kann es nicht fassen, als der Häftling ihm das Stelleninserat zeigt. Ausgerechnet in einem Bestattungsunternehmen will Roman Kogler als Freigänger arbeiten. Im Knast ist Roman ein Einzelgänger. Er redet nicht viel. Auch auf der neuen Arbeitsstelle bekommt Roman kaum die Zähne auseinander, aber für den Kollegen steht bald fest, dass der Freigänger nicht zum ersten Mal eine Leiche sieht.

Das Bestattungsunternehmen ist ein Großbetrieb. Die meisten Leichname werden mit dem Lastwagen abgeholt und in einem Kühlcontainer am Rande der Autobahn zwischengelagert. "Die richtige Leich´ im richtigen Sorg, zur richtigen Zeit am richtigen Ort" so formuliert der Vorarbeiter die Firmenphilosophie. Langsam findet Roman sich ein in diese seltsame Arbeit, und durch den täglichen Umgang mit dem Tod setzt allmählich auch die Asueinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit ein.

In geduldiger Kleinarbeit entblättert der österreichische Schauspieler Karl Markovics (Die Fälscher) in seinem Regiedebüt die Seelenstruktur des 19jährigen Häftlings, der als Jugendlicher im Heim in einer Auseinandersetzung einen anderen Jungen ermordet hat und sich auf die Suche nach seiner leiblichen Mutter macht. Markovics erzählt seine Geschichte mit einem hohen Maß an Realismus. Im Vordergrund stehen dabei die Alltagsroutinen des Häftlings von der Leibesvisitation im Gefängnis bis zum Verfrachten der Leichname, aus denen heraus sich langsam Bruchstellen entwickeln, die den Blick in die Seele der Figur freigeben. Durch die strenge Komposition und die sorgfältig dosierten Dialoge bewahrt sich der Film seine Aufmerksamkeit auch für minimale emotionale Veränderungen.

Eine groß angelegte Katharsis darf man hier nicht erwarten, aber am Schluss hat der Blick des Freigängers fast unmerklich seine Leere verloren und scheint bereit zu sein, die Welt in sich aufzunehmen.

Martin Schwickert

Ö 2011 R&B: Karl Markovics K: Martin Gschlacht D: Thomas Schubert, Georg Friedrich