Attack the Block

London brennt

Eine Weltraum-Invasion als Sozialsatire - das geht nur in England.

Neuerdings fallen die Aliens im Kino ja einfach vom Himmel. Auch hier, mitten in einem ganz normalen nächtlichen Raubüberfall, wird die Clique um Moses von einem lauten "KLONK!" überrascht. Offensichtlich ist da gerade was vom Himmel gefallen und hat ein Autodach zerdötscht. Moses, ganz der Profi, räumt erstmal das Handschuhfach des beschädigten Wagens aus, und dann beschließen er und seine Gang, der Frage nachzugehen, was da gerade so einen Krach gemacht hat. Das Alien, das sie aufstöbern, ist eher klein und überlebt den Angriff der Gang nicht und wird als Trophäe mit in den Wohnblock genommen, wo es die Nachbarn mit ekliger Bewunderung bestaunen.

Die Aliens die danach kommen sind dann allerdings erheblich größer, haariger und äußerst schlecht gelaunt. Moses und seine Jugendgang bewaffnen sich mit Baseballschlägern, Feuerwerkskörpern, Messern und Macheten und ziehen in den Kampf: "Das ist unser Block!"

Das Kino-Debüt von Joe Cornish ist eigentlich eine böse Komödie über Wohngettos und das englische Elend. Die Jungs, die hier mit großer Klappe und großem Ernst ihr Wohnviertel verteidigen sind die gleichen, die jüngst London in Brand steckten und seitdem von James Cameron gejagt werden (und wie auf Bestellung Camerons und Murdochs Arsch retteten). "Das ist die Regierung", ahnt Moses gleich zu Beginn der Invasion, "erst schicken sie uns Drogen und Gewalt und weil wir uns nicht schnell genug gegenseitig umbringen helfen sie jetzt nach".

Vom Tonfall her ist das eher "Fünf Freunde gegen Predator". Hier wird, bei aller Komik, wirklich gestorben, und der erst 15-jährige Moses, der selten lächelt, ist wirklich ein Held. "Ich hab das hier angefangen, ich bring das zu Ende" erklärt er, als er und seine Gang sich im einzig sicheren Raum des Blocks verschanzt haben (es ist die Inhouse-Haschplantage des örtlichen Drogenbosses) und es irgendwie nicht weitergeht.

Dazwischen verstecken sich die Kids in Mülltonnen, fliehen auf Fahrrädern und schlagen notfalls mit Schlittschuhen auf die Aliens ein. Es ist alles ganz großartig komisch und großartig traurig. Und am Ende, wenn alles vorbei und die Welt gerettet ist, kommt die Polizei - und verhaftet Moses.

Viel Geld für Effekte hatte Joe Cornish offenbar nicht, dafür viele Ideen. Und da eh alles bei Nacht spielt, sieht man nicht viel von den Aliens, und die Darsteller als altersweise Monsterjäger sind sowieso viel unterhaltender. Neben Nick Frost (der Dicke in Paul) in einer Nebenrolle, Jodie Whittaker als weiße Blockbewohnerin, die sich vom zurecht wütenden Gang-Opfer zur Gang-Krankenschwester der Alien-Krieger wandelt, beeindruckt vor allem John Boyega (in seinem Debut!) als Moses. Der erinnert in seiner Verlorenheit und seiner intensiven Wut an den jungen Denzel Washington.

"Warum verhaftet ihr immer die falschen?!", fragt einer der Jungs resigniert die Polizisten, als Moses am Schluss abgeführt wird. Da allerdings skandiert die Menge vorm Streifenwagen längst dessen Namen, und Moses, der Retter des Blocks und des Planeten, in Handschellen im Polizeiwagen sitzend, lächelt über seine Lage. Zum ersten Mal.

Thomas Friedrich

GB 2011 R & B: Joe Cornish K: Thomas Townend D: Nick Frost, Jodie Whittaker, Luke Treadaway, John Boyega