Auf das Leben

Von der Rolle

Hannelore Elsner als Rentnerin mit Erinnerungen

Als Ruth Weintraub Jonas zum ersten Mal begegnet, wird sie zurück in die siebziger Jahre katapultiert, als sie noch eine bekannte jüdische Cabaret-Sängerin und sehr verliebt in den jungen Filmhochschul-Studenten Victor war, dem dieser Jonas so sehr gleicht.

Die Vorzeichen für ein generationsübergreifendes Kennenlernen sind schlecht. Jonas gehört zu einer Truppe von Möbelpackern, die die Zwangsräumung von Ruths Wohnung durchführen. Dem Gerichtsvollzieher heizt die alte Dame gründlich ein, aber nach dem erzwungenem Umzug in ein Sozialwohnsilo mit Blick auf die Autobahn verlässt sie der Lebensmut.

Es ist Jonas, der sie nach einem Selbstmordversuch blutüberströmt entdeckt und ins Krankenhaus bringt. Ruth landet erst einmal in der Psychiatrie und der wohnungslose Neuberliner zieht heimlich in ihre neue Bleibe ein. Zwischen den Umzugskartons findet er alte Filmrollen - ein Dokumentarfilm, den Victor über seine Verlobte gedreht hat, die als jüdisches Kind in Polen nur knapp dem Holocaust entkommen ist. Zwischen den beiden einsamen Seelen entsteht allmählich eine Freundschaft, denn Jonas' Leben ist - wenn auch auf ganz andere Weise - ebenfalls von Ängsten und traumatischen Verlusten geprägt.

Es ist ein gewagtes Unterfangen, die Lebensnöte eines Mittzwanzigers mit den Erfahrungen einer Holocaust-Überlebenden zu spiegeln. Aber was auf dem Papier wie eine gestelzte Versuchsanordnung klingt, wird in Uwe Jansons Film zu einer lebendigen, tragfähigen Geschichte, die zwei Generationen zusammenbringt, die im Kino viel zu selten aufeinander treffen. Hannelore Elsner dimmt die gewohnte Exaltiertheit herunter und überzeugt als selbstbewusste und schlagfertige ältere Dame, die immer noch von ihren schmerzhaften Erinnerungen eingeholt wird. Sie und der entspannt aufspielende Max Riemelt geben ein interessantes generationsübergreifendes Paar ab, das sich gerade aus der Altersdifferenz heraus auf Augenhöhe begegnet. Herausragend vor allem aber: Sharon Brauner in der Rolle der jungen Ruth, die als Sängerin auf der Bühne wie als tragische Heldin eine große Präsenz entfaltet.

Martin Schwickert

D 2014 R: Uwe Janson B: Thorsten Wettcke, Stephen Glantz K: Peter Joachim Krause D: Hannelore Elsner, Max Riemelt, Sharon Brauner . 91 Min.